Nach der Scheidung sind Sie unterhaltsberechtigt, wenn Sie aufgrund Ihrer Lebenssituation bedürftig sind. Reichen Ihre Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht zum vollen Lebensunterhalt aus, können Sie von Ihrem Ex-Ehepartner verlangen, dass er Ihnen den Rest „aufstockt“ und Aufstockungsunterhalt zahlt. Wir erklären Ihnen, wann Sie Unterhalt einfordern können, wenn das Einkommen nicht zum Leben reicht.
Tipp 1: Treffen Sie eine Scheidungsfolgenvereinbarung
Im Idealfall treffen Sie außergerichtlich eine Vereinbarung (Scheidungsfolgenvereinbarung), in der Sie die Höhe und den Zeitraum des Unterhaltsanspruchs festlegen. Sie schaffen damit die Grundlage für eine kostengünstige einvernehmliche Scheidung und vermeiden die oft kostenträchtige streitige Scheidung.
Tipp 2: Der Unterhalt bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen
Bis zum dritten Lebensjahr des Kindes brauchen Sie keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen und können sich vollumfänglich um das gemeinsame Kind kümmern. Sie können den vollen Unterhalt nach Ihren ehelichen Lebensverhältnissen als Betreuungsunterhalt beanspruchen.
Tipp 3: Ihr Anspruch kann befristet werden
Wenn Sie zum Beispiel wegen der Kinderbetreuung nicht mehr in Ihrem Beruf tätig werden können, bevor Sie sich weiter- oder fortgebildet haben, kann Ihr Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zeitlich etwa bis zum Abschluss Ihrer Fortbildung befristet werden.
Sind Sie nach Ihrer Scheidung arbeitslos, haben Sie Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit. Ihr Ehepartner ist dann aufgrund seiner nachehelichen Solidarität verpflichtet, Ihnen solange und soweit Unterhalt zu zahlen, bis Sie eine angemessene Erwerbstätigkeit finden. Gleiches gilt, wenn Sie einen Arbeitsplatz haben, den Sie unmittelbar nach der Scheidung wieder verlieren, sodass Ihr Einkommen nach der Scheidung „nicht nachhaltig gesichert“ war.
Der Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit besteht nur, solange und soweit Sie arbeitslos sind. Arbeiten Sie, sei es auch nur in einem Minijob oder in Teilzeit, sind Sie nicht mehr erwerbslos oder arbeitslos. Ihr Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit entfällt. Sie haben dann allenfalls noch Anspruch auf Aufstockungsunterhalt.
Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.
Oft ist der Monat länger als das Einkommen reicht. Nach Ihrer Scheidung sind Sie eigentlich verpflichtet, eigenständig für Ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Gelingt es Ihnen jedoch trotz nachweisbar intensiver Anstrengung nicht, eine halbwegs angemessene Erwerbstätigkeit zu finden und eigenes Geld zu verdienen, haben Sie Anspruch darauf, dass Ihr Ex-Partner Sie finanziell unterstützt. Sind Sie arbeitslos, haben Sie Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit. Arbeiten Sie jedoch, ohne dass Ihr Einkommen Ihren Lebensunterhalt sichert, haben Sie Anspruch auf Aufstockungsunterhalt. Für einen gewissen Zeitraum soll der Aufstockungsunterhalt also einen Ihrer Ehe angemessenen Lebensstandard gewähren, obwohl Sie eine angemessene Beschäftigung ausüben.
Reicht Ihr Einkommen nicht aus, muss Ihr Ex-Ehepartner dieses Einkommen aufstocken und insoweit Unterhalt leisten, bis Ihr voller Lebensunterhalt gesichert ist. Das Maß Ihres Unterhalts bestimmt sich nach Ihren ursprünglichen ehelichen Lebensverhältnissen und umfasst Ihren gesamten Lebensbedarf (§ 1578 BGB). Ihr Ehepartner leistet dann den sogenannten Aufstockungs- oder Ergänzungsunterhalt.
Der Aufstockungsunterhalt rechtfertigt sich daraus, dass Sie mit Ihrem Ehepartner Ihren in der Ehe erreichten Lebensstandard gemeinsam erwirtschaftet haben. Dieser Lebensstandard soll auch nach der Scheidung möglichst fortbestehen. Ihr Ehepartner muss sich an seiner nachehelichen Solidarität festhalten lassen und ist auch insoweit nach der Scheidung für das Wohlergehen des Partners in der Verantwortung.
Expertentipp: Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt besteht nur, wenn Ihre Erwerbseinkünfte nicht ausreichend sind. Er entsteht nicht bei unterschiedlichen Einkünften aus Vermögen. Sind Sie also aufgrund Ihres an sich angemessenen Einkommens „gefühlt arm“, können Sie keinen Aufstockungsunterhalt verlangen, wenn Ihr Ex-Ehepartner hohe Vermögenswerte besitzt.
Egal, welche Art von Unterhalt Sie fordern: Sie müssen stets den Nachweis führen, dass Sie aufgrund Ihrer Lebenssituation tatsächlich bedürftig und somit auf die Unterhaltsleistungen Ihres Ex-Partners angewiesen sind. Geht es um Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit oder um Aufstockungsunterhalt, müssen Sie erklären und vor allem auch beweisen, dass es Ihnen nicht möglich oder zumutbar ist, aufgrund eigener Tätigkeit ein angemessenes Einkommen zu erzielen. Es genügt also nicht, dass Sie in Teilzeit arbeiten und behaupten, es sei Ihnen nicht möglich, eine Vollzeitstelle oder eine besser bezahlte Arbeit zu finden.
Expertentipp: Sie sollten sich darauf einstellen, dass Sie Ihre Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit detailliert und nachprüfbar dokumentieren müssen. Soweit Sie Bewerbungen verfassen, sollten Sie in der Lage sein, die Bewerbungsschreiben und die dazu ergangenen Antworten der angeschriebenen Betriebe vorzulegen. Sie müssen also Ihre intensiven und kontinuierlichen Bemühungen um eine Arbeit darlegen können. Arbeiten Sie in Teilzeit, müssen Sie beweisen, dass Sie keine reale Chance auf eine Vollerwerbstätigkeit haben (BGH NJW 2012, 1145).
Können Sie eine angemessene Erwerbstätigkeit nur dann erreichen, wenn Sie sich ausbilden, fortbilden oder umschulen lassen und ist ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten, ist offensichtlich, dass Ihr Anspruch auf Aufstockungsunterhalt mindestens zeitlich eingeschränkt ist.
Expertentipp: Sie hatten früher als medizinisch-technische Assistentin in einer Klinik gearbeitet und waren problemlos in der Lage, den Kernspintomografen zu bedienen. Nach Ihrer Scheidung möchten Sie diese Tätigkeit wieder aufnehmen. Da Sie nicht mehr auf dem Stand der Technik sind, können Sie nur noch begleitende Tätigkeiten ausüben und werden nur noch teilzeitbeschäftigt. Sofern Sie Ihre Kenntnisse durch entsprechende Fortbildungsmaßnahmen auf den Stand der Technik bringen können, sind Sie verpflichtet, diesen Weg zu gehen. Ihr Anspruch auf Aufstockungsunterhalt wäre dann zeitlich in etwa bis zum Abschluss Ihrer Fortbildung zu befristen.
Unterhaltsansprüche nach der Scheidung decken regelmäßig nur Nachteile ab, die Sie aus ehebedingten Gründen erdulden müssen. Sollte ein Richter über Ihren Unterhaltsanspruch entscheiden müssen, müssen Sie damit rechnen, dass der Anspruch zeitlich begrenzt wird. Ziel dabei ist, dass Sie sich auf einen späteren Wegfall Ihres Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt einstellen können. Sie müssen dabei berücksichtigen, dass Sie sich nach der Scheidung in einer wirtschaftlichen Eigenverantwortung wiederfinden und Sie verpflichtet sind, alles zu tun, um eine Ihrem Lebensbedarf angemessene Erwerbstätigkeit zu finden.
Ob und inwieweit ein Unterhaltsanspruch in der Höhe eingeschränkt oder zeitlich begrenzt wird, versucht das Gesetz mit einer Reihe von Ansatzpunkten zu regeln (§ 1579 BGB). Typische Fälle sind, dass Sie als unterhaltsberechtigter Ehepartner nur kurzzeitig verheiratet waren, mit Ihrem neuen Lebenspartner in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben oder Sie Ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt haben.
Praxisbeispiel: Ihre Ehe wird nach zwei Jahren geschieden. Da Sie sich bislang um das gemeinsame Kind und den Haushalt gekümmert haben, arbeiten Sie nach der Scheidung nur in Teilzeit. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nur befristet gewährt, da es Ihnen zuzumuten ist, in einem überschaubaren Zeitraum eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden. Die Beurteilung könnte anders ausfallen, wenn Ihre Ehe 20 Jahre gedauert hat. In allen Fällen ist zu prüfen, ob und inwieweit nach der Scheidung ehebedingte Nachteile vorlegen. Dabei spielt Ihre Lebenssituation eine Rolle, in die Ihr Alter, Ihr Gesundheitszustand, Ihre Lebensplanung, besondere Leistungen, aber auch schwere Verfehlungen, einfließen. Nach einer Übergangszeit wird es Ihnen regelmäßig zugemutet, sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den Sie aus eigenen Einkünften erreichen können (BGH XII ZR 11/05). Wird Ihnen Aufstockungsunterhalt bezahlt, sollten Sie Ihre Lebensführung also nicht unbedingt dauerhaft danach ausrichten.
Aufstockungsunterhalt ist an sich nachrangig gegenüber anderen Unterhaltsleistungen. Arbeiten Sie in Teilzeit und beziehen Sie Unterhalt wegen Kindesbetreuung, auch Betreuungsunterhalt genannt, oder weil Sie krank oder zu alt sind, um eine vollzeitige Erwerbstätigkeit auszuüben, haben Sie Anspruch:
Praxisbeispiel: Sie betreuen Ihr Kind nach der Scheidung. Bis zum dritten Lebensjahr des Kindes brauchen Sie keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen und können sich vollumfänglich um das gemeinsame Kind kümmern. Sie können den vollen Unterhalt nach Ihren ehelichen Lebensverhältnissen als Betreuungsunterhalt beanspruchen. Wird das Kind älter, sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit verpflichtet, zumindest eine Teilzeittätigkeit auszuüben. Jetzt können Sie die Differenz bis zu dem Einkommen, das Sie bei einer Vollerwerbstätigkeit erzielen würden, trotzdem noch als Betreuungsunterhalt verlangen. Reicht dieser Betrag nicht aus, um Ihren früheren ehelichen Lebensstandard zu erreichen, steht Ihnen noch Aufstockungsunterhalt zu. Voraussetzung ist natürlich, dass Ihr Ex-Partner insoweit auch leistungsfähig und finanziell überhaupt in der Lage ist, Sie in diesem Sinne zu unterhalten.
Ansprüche auf Aufstockungsunterhalt münden oft im Streit. Naturgemäß rechnet jeder auf seine Weise. Sie sind gut beraten, sich wegen eines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt möglichst außergerichtlich zu verständigen. Dazu sollten Sie nicht auf Maximalforderungen bestehen und vermeiden, dass Sie Ihren Ehepartner, nicht zuletzt vielleicht aufgrund seiner angespannten finanziellen Situation, in eine Verteidigungsposition drängen. Umgekehrt sollten Sie den Anspruch Ihres Ex-Partners auf Aufstockungsunterhalt nicht pauschal zurückweisen, um zu vermeiden, dass er zu keinerlei Kompromissen bereit ist und seinen Anspruch vielleicht einklagt. Bestenfalls regeln Sie den Aufstockungsunterhalt außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung.
Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.
Expertentipp: Jede Scheidungsfolgenvereinbarung, in der Sie die mit Ihre Scheidung verbunden Rechte und Pflichten eines Ehepartners regeln, ist Grundlage für eine einvernehmliche Scheidung. Mit einer einvernehmlichen Scheidung können Sie sich kostengünstig, zügig und problemlos scheiden lassen. Damit vermeiden Sie die meist sehr kostenträchtige, zeitaufwendige und belastende streitige Scheidung. Jede einvernehmliche Scheidung öffnet den Weg, Ihr Leben nach der Scheidung leichter zu planen und besser zu kalkulieren.
Die Verantwortung, die Sie aufgrund Ihrer Eheschließung jeweils füreinander übernommen haben, wirkt auch nach der Scheidung fort. Auch wenn Sie daran nicht unbedingt erinnert werden möchten, bleiben Sie bei entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verpflichtet, Ihren unterhaltsbedürftigen Ex-Partner finanziell zu unterstützen.
Geschrieben von: Volker Beeden