Besteht an Ihrer Immobilie ein Nießbrauch, müssen Sie klären, was nach der Trennung und Scheidung mit der Immobilie passiert. Die mit einem Nießbrauchsrecht einhergehenden Gegebenheiten sind naturgemäß schwierig zu verstehen. Wir haben anhand von drei gerichtlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes dargestellt, welche Rolle der Nießbrauch nach Trennung und Scheidung spielen kann.
Tipp 1: Nießbrauch oder Wohnrecht?
Vereinbaren Sie einen Nießbrauch, können Sie die Immobilie vermieten oder selbst nutzen. Vereinbaren Sie ein Wohnrecht, steht nur die Eigennutzung zur Debatte.
Tipp 2: Vorsicht bei Ehegattennießbrauch in Gesamtberechtigung
Möchten Sie mit der Vereinbarung eines Nießbrauchsrechts eine lebenslange unauflösliche Gemeinschaft vermeiden, sollten Sie eine Gemeinschaft nach Bruchteilen vereinbaren oder ausmachen, dass jeder Ehepartner nach der Scheidung die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen kann.
Tipp 3: Vermeiden Sie eine Nutzungsentschädigung
Möchten Sie vermeiden, dass der Ehepartner nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung eine Nutzungsentschädigung verlangt, sollten Sie das Nießbrauchsrecht oder Wohnrecht vom Bestand Ihrer Ehe abhängig machen.
Der Nießbrauch gibt einer Person das Recht, die Nutzungen aus einer Sache zu ziehen. Im Detail:
Beispiel: Sie sind alleiniger Eigentümer einer Immobilie. Die Immobilie ist vermietet. Sie beziehen die Mieteinnahmen. Räumen Sie Ihrem Ehepartner ein Nießbrauchrecht an der Immobilie ein, darf Ihr Ehepartner die Nutzungen aus der Immobilie ziehen. Konkret bedeutet dies, dass der Ehepartner als Nießbraucher die Wohnung selbst vermieten und die Mieten vereinnahmt darf. Er kann die Wohnung aber auch selbst nutzen. Genauso gut hätte der Ehepartner das Recht, die Nutzung einer anderen Person, beispielsweise den Kindern, zu überlassen. Zwischen Ihnen als dem Eigentümer der Immobilie und Ihrem Ehepartner als dem Nießbraucher entsteht ein Schuldverhältnis, das beiderseitige Rechte und Pflichten beinhaltet. Im Detail richten sich die Rechte und Pflichten nach dem Gesetz oder danach, was Sie konkret miteinander vereinbart haben.
Gut zu wissen: Der Nießbrauch ist ein klassisches Instrument zur rechtsgeschäftlichen und erbrechtlichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen. Meist geht es um die Regelung der vorweggenommenen Erbfolge, der Sicherung der Altersversorgung oder im Eherecht zur Verlagerung von Einkünften eines Ehepartners auf den anderen mit dem Ziel, im Hinblick auf die aus der Immobilie erzielten Mieteinnahmen Einkommensteuern zu sparen.
Haben Sie mit Ihrem Ehepartner ein Nießbrauchsrecht vereinbart, verfolgen Sie möglicherweise steuerliche Zwecke. Wahrscheinlich wird es so sein, dass Sie steuerlich getrennt zur Einkommensteuer veranlagt werden. Dadurch, dass Ihr Ehepartner die Mieten vereinnahmt, mildern Sie wahrscheinlich die Progressionswirkung der Einkommensteuer und sparen dadurch selbst Einkommensteuer. Ihr Ehepartner, der die Mieteinnahmen bezieht, kann dann von seinem persönlichen Freibetrag profitieren. Verfügt der Partner über keine weiteren Einnahmen, bleiben die Mieteinnahmen möglicherweise steuerfrei.
Jedoch setzt die Finanzverwaltung für die steuerliche Anerkennung solcher Vereinbarungen unter nahen Angehörigen strenge Maßstäbe an. Ihre Vereinbarung muss einem Fremdvergleich standhalten. Dazu wird verlangt, dass eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung vorliegt und Sie die Vereinbarung auch tatsächlich so gestalten und durchführen, wie dies unter fremden Personen üblich wäre. Dies gilt vornehmlich in Bezug auf die Verwaltung, die Kontenführung und den Abschluss der Mietverträge (BFG BStBl. 1981 II 297).
Im Unterschied zum Nießbrauch berechtigt die Vereinbarung eines Wohnrechts zur persönlichen Nutzung einer Wohnung und zur Mitbenutzung aller dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen des Hauses. Das Wohnrecht kann an einzelnen oder allen Räumen eines Hauses bestellt werden. Das Wohnrecht ist nicht auf Dritte übertragbar, es kann nur persönlich ausgeübt werden. Es erlischt mit dem Tod des Inhabers des Wohnrechtes. Um das Wohnrecht rechtssicher zu gestalten, muss es im Grundbuch eingetragen sein.
Praxisbeispiel: Sie wohnen in einem Einfamilienhaus. Da Sie die Erbfolge regeln wollen, übertragen Sie zu Lebzeiten das Eigentum am Haus auf Ihren Sohn. Damit Sie weiterhin im Haus wohnen können, vereinbaren Sie ein Wohnrecht. Sie sind berechtigt, bis zum Lebensende im Haus zu wohnen. Sie dürfen das Haus aber nicht vermieten.
Haben Sie das Nießbrauchsrecht mit Ihrem Ehepartner als Steuersparmodell vereinbart, bleiben Sie unter Umständen über Ihre Trennung und Scheidung hinaus zwangsweise trotzdem miteinander verbunden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 6.3.2020, Az. V ZR 329/18) begründet jedenfalls der „Ehegatten-Nießbrauch in Gesamtberechtigung“ eine lebenslange und unauflösliche Gemeinschaft der Ehepartner.
Im Sachverhalt war es so, dass ein Ehepaar jeweils hälftig Miteigentümer einer Immobilie war. Die Immobilie war vermietet. Das Ehepaar übertrug die Immobilie auf die Kinder und behielt sich dabei einen unentgeltlichen lebenslang bestehenden Nießbrauch vor. Im Notarvertrag war vereinbart, dass der Nießbrauch dem Ehepaar gemeinschaftlich und lebenslang bis zum Tode des zuletzt versterbenden Partners als „Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB“ zustehen sollte.
Das Glück des Lebens besteht nicht darin, wenig oder keine Schwierigkeiten zu haben, sondern sie alle siegreich und glorreich zu überwinden.
Als es zur Scheidung kam, wollte der Ex-Ehepartner den gemeinschaftlichen Nießbrauch beenden. Er hatte kein Interesse mehr daran, gemeinschaftlich mit dem Ex-Partner auch nach der Trennung und Scheidung die Verwaltung der Immobilie stemmen und gemeinschaftlich die Mieten entgegenzunehmen und verteilen zu müssen. Die Ehefrau verweigerte jedoch jedes vernünftige finanzielle Angebot und zeigte auch kein Interesse, den Anteil des Partners gegen Zahlung einer Abfindung zu übernehmen. Der Ehepartner klagte deshalb gegen die Frau auf Auflösung der Gemeinschaft, mit dem Ziel, den Nießbrauch unter den Partnern zwangsweise versteigern zu lassen. Er begründete seinen Wunsch rechtlich damit, dass auch die durch Miteigentum an einer Immobilie begründete Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung in Form der Teilungsversteigerung aufgehoben werden könne. Dann sei es folgerichtig, dass eine solche Versteigerung auch für das gemeinschaftliche Nießbrauchsrecht möglich sein muss.
Der Bundesgerichtshof erteilte dieser rechtlichen Einschätzung jedoch eine Absage. Es würde dem Sinn und Zweck der Vereinbarung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts für beide Ehepartner widersprechen, wenn durch die Versteigerung die Gemeinschaft aufgehoben werden könnte. Die gesetzlichen Regelungen über die Auflösung einer Miteigentümergemeinschaft seien auf den gemeinschaftlichen Nießbrauch in Form der Gesamtberechtigung nicht entsprechend anwendbar.
Die Ehepartner hätten sich mit dieser Regelung eine lebzeitige wirtschaftliche Absicherung schaffen wollen. Diese sollte gerade nicht durch eine einseitige Auflösung vorzeitig beendet werden können. Im Fall führte dies dazu, dass die Vereinbarung des Nießbrauchsrechts in eine lebenslange unauflösliche Gemeinschaft mündete und die Ehepartner auch nach der Trennung und Scheidung lebenslang miteinander verbunden waren.
Expertentipp: Möchten Sie ein solches Szenario vermeiden, müssen Sie bereits im notariellen Vertrag, in dem Sie das Nießbrauchsrecht begründen, mit einer entsprechenden Regelung Vorsorge treffen. So könnten Sie eine Gemeinschaft nach Bruchteilen vereinbaren. Dann kann nämlich jeder Partner jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen (§ 749 BGB). In Betracht kommt auch eine Regelung, dass die Auflösung der Gemeinschaft beispielsweise bei Trennung und Scheidung möglich sein soll und ein Ehepartner das Recht haben soll, den Anteil des anderen gegen Abfindung zu übernehmen oder Anspruch hätte, tatsächlich die Versteigerung zu verlangen. Im Fall des Bundesgerichtshofs gab es keine diesbezüglichen Regelungen.
Trennen Sie sich vom Ehepartner und ziehen aus der ehelichen Wohnung aus, können Sie auch dann eine Nutzungsvergütung beanspruchen, wenn Sie nicht Miteigentümer der Wohnung sind, Ihnen aber ein Wohnrecht oder Nießbrauchrecht eingeräumt ist (BGH, Beschluss vom 18.12.2013, Az. XII ZB 268/13).
Im Sachverhalt war es so, dass ein Ehepaar jeweils hälftig Miteigentümer eines Hauses war. Das Ehepaar übertrug das Eigentum an seine vier Töchter, behielt sich aber ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht vor. Rechtlich wäre der Sachverhalt der gleiche, wenn sich das Ehepaar ein Nießbrauchsrecht vorbehalten hätte. Das Nießbrauchsrecht beinhaltet nämlich das Recht, die Wohnung zu vermieten, aber auch selbst zu nutzen. Nach der Trennung zog die Ehefrau aus dem Haus aus, während der Ehemann mit den vier Töchtern und einem Enkelkind in der ehemaligen ehelichen Wohnung verblieb. Der Wohnwert wurde monatlich mit 1.200 EUR beziffert.
Erfahren Sie hier, wer die gemeinsame Immobilie nach der Trennung und Scheidung erhält.
Als die Ehe geschieden wurde, verlangte die Exfrau eine Nutzungsentschädigung. Der BGH entschied, dass ein Ehepartner, der dem anderen die eheliche Wohnung während des Getrenntlebens überlässt, eine Nutzungsentschädigung verlangen kann (§ 1361b Abs. III BGB). Eine solche Vergütung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Partner aus der ehelichen Wohnung auszieht und der in der Wohnung verbleibende Partner nach wie vor die Nutzungen zieht. Dieser Ansatz trifft auf alle Fälle zu, in denen es um Eigentum, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht oder dingliches Wohnrecht geht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Ehepartner gemeinsam Eigentümer sind oder nur einer Alleineigentum hat. Der Anspruch, eine Nutzungsvergütung zu verlangen, hängt somit nicht von der Art des Rechts ab. Da der in der Wohnung verbleibende Ehepartner die Wohnung künftig ungeteilt nutzen und dadurch einen höheren Wohnwert genießen konnte, erschien es fair und gerecht, diesen Wohnvorteil durch eine Vergütung an den anderen Ehepartner auszugleichen.
Da der Ehepartner mit vier Töchtern und einem Enkelkind in der Immobilie verblieb, wurde die zu zahlende Nutzungsvergütung auf ein Fünftel des Gesamtwohnwerts festgesetzt. Dies entsprach bei einem Wohnwert von 1.200 EUR einer Nutzungsentschädigung von 250 EUR im Monat.
Sind Sie Inhaber eines Nießbrauchsrechts, muss das Recht bei der Scheidung auch beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Der Bundesgerichtshof hatte in mehreren Entscheidungen mal so, mal so entschieden, in einer neueren Entscheidung jedoch hoffentlich Klarheit geschaffen (BGH, Beschluss vom 6.5.2015, Az. XII ZB 306/14).
Im Sachverhalt war es so, dass ein Ehepaar der Tochter ein Ferienhaus am Meer geschenkt und sich dabei ein Nießbrauchsrecht vorbehalten hatte. Die Eltern wollten auch weiterhin im Haus Urlaub machen oder es an Dritte vermieten. Als die Ehe der Tochter 15 Jahre danach geschieden wurde, war der Wert des Hauses infolge des gestiegenen Freizeitwertes erheblich höher als zuvor. Die Frage war, wie der Vermögenszuwachs des Hauses im Hinblick auf das nach wie vor bestehende Nießbrauchsrecht beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden sollte.
Der BGH stellte klar, dass der Wertzuwachs einer Schenkung, in dem Fall das Ferienhaus aufgrund des zugleich abnehmenden Werts des Nießbrauchs nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt. Ist hingegen der Wert des Nießbrauchs gestiegen, weil das mit dem Nießbrauchsrecht belastete Grundstück einen Wertzuwachs erfahren hat, müsse der Wert des Nießbrauchs in das Anfangs- und im Endvermögen eingestellt werden.
Nießbrauch und die mit einer Trennung und Scheidung einhergehenden rechtlichen Fragen stellen komplexe Sachverhalte dar. Wenn Sie ein Nießbrauchsrecht begründen, sollten Sie sich unbedingt rechtlich beraten und begleiten lassen. Damit Sie dahingehende Vereinbarungen nachvollziehen können, sollten Sie aber zumindest wissen, was es mit all diesen Begriffen auf sich hat und welche Konsequenzen sich bei Trennung und Scheidung für Sie ergeben können.
Geschrieben von: Volker Beenden