Einmal Kind, immer Kind? Zumindest beim Unterhalt kann es Ausnahmen geben. Jedenfalls hat das Kind keinen bedingungslosen Anspruch auf Kindesunterhalt. Wir zeigen auf, in welchen Fällen der Kindesunterhalt zumindest hinterfragt oder sogar verweigert werden darf.
Tipp 1: Können Sie dem Kind schwere Verfehlungen vorwerfen?
Im Ausnahmefällen dürfen Sie den Kindesunterhalt verweigern, wenn Sie dem Kind eine vorsätzlich schwere Verfehlung vorwerfen können.
Tipp 2: Unterhalt für die Vergangenheit
Unterhalt für die Vergangenheit ist nur zu zahlen, wenn Sie sich mit der Zahlung in Verzug befinden. Wann Verzug vorliegt, definiert das Gesetz.
Tipp 3: Kein Verzicht auf Unterhalt
Da das Kind auf Unterhalt für die Zukunft nicht verzichten kann, dürfen Sie den Kindesunterhalt trotz entsprechender Erklärung nicht verweigern.
Ihr minderjähriges Kind hat Anspruch auf Kindesunterhalt. Es gilt grundsätzlich als bedürftig. Auch privilegierte Kinder sind unterhaltsberechtigt. Ihr Kind ist ein „privilegiertes Kind“, wenn es noch nicht 21 Jahre alt ist, im Haushalt des betreuenden Elternteils lebt und sich noch in der Schul- oder Berufsausbildung befindet. Solange müssen Sie das Kind finanziell unterstützen.
Die Höhe des Kindesunterhalts orientiert sich an der Düsseldorfer Tabelle. Dort finden Sie in Abhängigkeit von Ihrem Nettoeinkommen und dem Alter Ihres Kindes den Betrag, den Sie als Kindesunterhalt an das Kind zahlen müssen. Wichtig ist, dass es dabei auf das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen ankommt. Ihr Nettoeinkommen in der Gehaltsabrechnung dürfen Sie zusätzlich um berufsbedingte Aufwendungen und ehebedingte Verbindlichkeiten bereinigen. Wegen der Details sollten Sie sich informieren.
Gut zu wissen: Verdienen Sie aktuell weniger als vorher, ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle möglicherweise ein geringerer Zahlbetrag für den Kindesunterhalt. Da die Tabelle aber Einkommensstufen vorsieht (z.B. Einkommensstufe 2: Nettoeinkommen 1.901 EUR - 2.300 EUR), fallen geringe Einkommensminderungen unter den Tisch.
Praxistipp: Die Düsseldorfer Tabelle unterstellt, dass zwei unterhaltsberechtigte Person vorhanden sind. Haben Sie bislang Kindesunterhalt für ein Kind bezahlt, wurden Sie in der Tabelle eine Einkommensstufe höher eingestuft. Zahlen Sie jetzt auch noch Ehegattenunterhalt oder Kindesunterhalt für ein zweites Kind (auch außerehelich) und unterhalten somit zwei Personen, dürfen Sie sich in der Tabelle um eine Einkommensstufe niedriger einstufen. Damit zahlen Sie für das einzelne Kind weniger Kindesunterhalt.
Ihre Unterhaltspflicht besteht unabhängig davon, ob Sie Kontakt zu dem Kind haben. Selbst wenn das Kind den Kontakt zu Ihnen partout verweigert, ändert dies nichts an Ihrer Unterhaltspflicht. Ihre Unterhaltspflicht kann allenfalls in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen entfallen, falls das Kind sich „vorsätzlich einer schweren Verfehlung“ gegen Sie oder einen nahen Angehörigen schuldig gemacht hat (§ 1611 BGB). In Betracht kommen „tiefe Kränkungen, die einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und menschlicher Rücksichtnahme erkennen lassen“:
nicht aber:
Wurde das Kind während Ihrer Ehe geboren, gelten Sie rechtlich als der Vater des Kindes, auch wenn ein anderer Mann der Erzeuger ist. Sie sind dem Kuckuckskind unterhaltspflichtig, zumindest so lange, bis Sie Ihre Vaterschaft erfolgreich angefochten oder der leibliche Vater mit Zustimmung der Mutter seine Vaterschaft ausdrücklich anerkannt hat.
Ihr Kind hat nur Anspruch auf Kindesunterhalt, wenn es selbst bedürftig und damit außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ob sich das Kind eigenes Einkommen anrechnen lassen muss, hängt vom Alter des Kindes und seiner Lebenssituation ab. Die Entwicklung wird also früher oder später dahin führen, dass Sie den Kindesunterhalt verweigern dürfen, weil das Kind nicht mehr bedürftig ist oder für seinen Lebensunterhalt selbst in der Verantwortung steht.
Sie dürfen nicht erwarten, dass Ihr minderjähriges Kind eigenes Geld verdient. Solange das Kind schulpflichtig ist, bestimmt das Jugendarbeitsschutzgesetz weitgehend ein Beschäftigungsverbot. Lediglich leichtere Arbeiten zur Aufbesserung des Taschengeldes sind erlaubt, die sich das Kind aber nicht auf den Kindesunterhalt anrechnen lassen muss (BGH, XII ZR 240/93).
Hat Ihr Kind die Schule abgeschlossen und unterliegt nicht mehr den Einschränkungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes, ist es verpflichtet, eigenes Geld zu verdienen, sofern es keine Berufsausbildung anstrebt. Liegt das Kind nur „auf der faulen Haut“, muss es sich theoretisch erzielbare (fiktive) Einkünfte anrechnen lassen. Anrechenbar ist aber nur die Hälfte dessen, was das Kind verdienen könnte, wenn es denn wollte (OLG Düsseldorf, 8 WF 117/10). Die andere Hälfte kommt dem betreuenden Elternteil zugute.
Absolviert das Kind eine Schul- oder Berufsausbildung und lebt im Haushalt eines Elternteils, hat es bis zum 21. Lebensjahr Anspruch auf Kindesunterhalt (privilegiertes Kind).
Erhält das Kind eine Ausbildungsvergütung, zählt diese als eigenes Einkommen und ist auf den Unterhalt anzurechnen. Vorher ist die Ausbildungsvergütung aber um einen Betrag von 100 € für ausbildungsbedingtem Mehrbedarf zu kürzen.
Studiert Ihr Kind und wohnt auswärts, hat es Anspruch auf 930 € Unterhalt. Soweit bis zum 25. Lebensjahr des Kindes Anspruch auf Kindergeld besteht, wird das Kindergeld in voller Höhe angerechnet. Soweit das Kind Anspruch auf BAföG hat, ist es verpflichtet, einen BAföG-Antrag zu stellen, auch wenn die Ausbildungsförderung teilweise nur als Darlehen gewährt wird.
Sie dürfen erwarten, dass das Kind zügig studiert. Ein Bummelstudium brauchen Sie nicht zu unterstützen. Sie haben Anspruch, regelmäßig über den Fortgang des Studiums informiert zu werden. Eine gewisse Orientierungs- und Leerlaufphase ist dem Kind im Regelfall zuzugestehen. Sind Sie geschieden, haftet jeder Elternteil anteilig in Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens für den Unterhaltsbetrag.
Das Kind braucht vorhandene Vermögenswerte nicht auch zu verbrauchen. Es muss sich lediglich die Einkünfte aus Vermögenswerten anrechnen lassen (z.B. Zinserträge auf dem Sparbuch, Aktiendividenden, Mieterträge aus der Vermietung einer eigenen Wohnung). Den Stamm des Vermögens braucht es aber nicht anzugreifen.
Ihr Kind ist verpflichtet, Ihnen auf Wunsch Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen (§ 1605 BGB). Über die Höhe der Einkünfte sind Belege und, falls das Kind arbeitet, die Lohnabrechnung vorzulegen. Sie dürfen Ihren Auskunftsanspruch aber nicht dahingehend missbrauchen, dass Sie fortlaufend Einkünfte und Vermögenswerte unterstellen und deshalb den Unterhalt verweigern. Ihre Auskunft ist nur begründet, wenn Sie nachvollziehbare Anhaltspunkte haben, dass das Kind möglicherweise eigenes Geld verdient und die Einkünfte auf den Unterhalt anrechenbar wären. Ihren Wunsch nach Auskunft können Sie alle zwei Jahre wiederholen, es sei denn, Sie können nachvollziehbar glaubhaft machen, dass das Kind höhere Einkünfte bezieht oder weiteres Vermögen erworben hat.
Gut zu wissen: Als Elternteil haben Sie Anspruch auf Auskunft über den Stand der Ausbildung des Kindes (BGH FamRZ 1995, 416). Sie dürfen verlangen, dass Sie Einblick in den Ausbildungsvertrag und die Vergütungsabrechnung erhalten. Weigert sich das Kind, dürfen Sie den Unterhalt bis zur Auskunftserteilung zurückbehalten.
Praxistipp: Gibt es tatsächlich handfeste Gründe, den Kindesunterhalt mangels entsprechender Auskünfte zu verweigern, könnten Sie es auf eine Zahlungsklage ankommen lassen. Das Familiengericht kann die Auskunftspflicht des Kindes anordnen und das Kind verpflichten, entsprechende Belege vorzulegen. Notfalls kann das Gericht Auskünfte beim Arbeitgeber, bei Sozialleistungsträgern oder Finanzämtern einfordern (§ 236 FamFG).
Um Ihren eigenen Lebensunterhalt zu gewährleisten, haben Sie Anspruch auf einen Selbstbehalt (Eigenbedarf). Dieser beträgt 1.370 EUR, wenn Sie berufstätig sind und 1.120 EUR, wenn Sie nicht arbeiten. Liegt Ihr Einkommen unter diesen Selbstbehalten, dürfen Sie den Kindesunterhalt verweigern. Ungeachtet dessen sind Sie aber verpflichtet, im Interesse des Wohles Ihres Kindes jedwede Anstrengung zu unternehmen, um die Zahlung des Kindesunterhalts zu ermöglichen.
Wichtig zu wissen: Sie sollten es nicht auf eine Strafanzeige wegen einer Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB ankommen lassen. Voraussetzung ist, dass Sie durch Ihre Unterhaltsverweigerung vorsätzlich den Lebensbedarf des Kindes gefährdet haben. Soweit Sie weniger als den Selbstbehalt verdienen, fehlt es regelmäßig am Vorsatz. Dennoch setzen Sie sich zumindest Strafermittlungsmaßnahmen aus und werden gegebenenfalls von den Justizbehörden per Auflage verpflichtet, Unterhalt zu zahlen.
Fordert das Kind Kindesunterhalt für zurückliegende Zeiträume, brauchen Sie nur zu zahlen, wenn Sie sich mit der Zahlung in Verzug befinden. Sie befinden sich in Verzug, wenn das Kind Sie aufgefordert hat, Auskunft über Ihre Einkünfte und Ihr Vermögen zu erteilen oder Sie zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert oder Klage beim Familiengericht eingereicht hat. Wurden Sie nicht dergestalt in Verzug gesetzt, dürfen Sie den Unterhalt für die Vergangenheit verweigern (§ 1613 BGB).
Bezieht der betreuende Elternteil das Kindergeld, dürfen Sie die Hälfte des Kindergeldbetrages auf Ihre Unterhaltsleistung anrechnen. Als Elternteil haben Sie das gleiche Recht am Kindergeld wie der andere Elternteil auch (§ 1612b BGB).
Sofern Ihr Kind oder der andere Elternteil erklärt, auf den Kindesunterhalt für die Zukunft zu verzichten, ist die Erklärung rechtlich unwirksam. Für die Zukunft kann nämlich auf Unterhalt nicht verzichtet werden (§ 1614 BGB).
Betreuen Sie das Kind abwechselnd zeitlich und organisatorisch gleichermaßen (echtes Wechselmodell), wird der Barunterhalt auf beide Elternteile aufgeteilt (BGH, Beschluss vom 05.11.14, Az. XII ZB 599/13). Dabei zahlt derjenige Elternteil, der mehr verdient, verhältnismäßig mehr Barunterhalt als der andere.
Verschweigt die Mutter, dass das Kind Ihr leibliches Kind ist, sind Sie gegenüber dem Kind zwar von Geburt an unterhaltspflichtig, falls Ihre Vaterschaft später festgestellt wird (§ 1313 Abs. II Nr. 2 BGB). Ihre Unterhaltspflicht entfällt aber dennoch, wenn das Kind längere Zeit keinen Unterhalt eingefordert hat und Sie sich darauf einrichten durften, dass Sie auch keinen Unterhalt zahlen müssen. Soweit die Mutter die Vaterschaft verschwiegen hat, muss sich das Kind das Verhalten seiner Mutter zurechnen lassen (OLG Saarbrücken Beschluss v. 31.7.2014, 9 WF 49/14).
Wird das Kind durch eine Tagesmutter betreut, während der betreuende Elternteil beruflich engagiert ist, brauchen Sie über den Kindesunterhalt hinaus keinen Mehrbedarf zu zahlen (BGH, Beschluss v. 4.10.2017, VIII ZB 55/17). Zwar können die Kosten der Betreuung im Kindergarten oder einem Kinderhort als Mehrbedarf gelten. Dieser Ansatz trifft aber nicht zu, wenn die Fremdbetreuung dem betreuenden Elternteil lediglich eine Erwerbstätigkeit ermöglichen soll, ohne dass die Fremdbetreuung über die übliche Kindesbetreuung hinausgeht. In diesem Fall stellen die Betreuungskosten gerade keinen Mehrbedarf dar. Vielmehr gehören sie zur allgemeinen Betreuung, die der betreuende Elternteil allein leisten muss.
Gelten Sie als der rechtliche Vater eines Kindes, sind Sie unterhaltspflichtig. Möchten Sie den Kindesunterhalt verweigern, brauchen Sie nachvollziehbare Gründe und müssen eine Ausnahme von der Regel darlegen und beweisen. Im Zweifel heißt es „für das Kind“.
Geschrieben von: Volker Beeden