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Hand­lungs­voll­macht als Al­ter­na­ti­ve zur Al­lein­sor­ge?

Bild: Handlungsvollmacht als Alternative zur Alleinsorge?

Was be­wirkt die Hand­lungs­voll­macht beim ge­mein­sa­men Sor­ge­recht?

Eine Handlungsvollmacht kann eine zweckmäßige Alternative zur Alleinsorge sein, wenn Sie von Ihrer Ex-Partnerin bzw. Ihrem Ex-Partner getrennt leben. Dann dürfte es wesentlich praktikabler sein, wenn Sie für Ihr gemeinsames Kind Entscheidungen treffen können, ohne die Zustimmung des anderen und gleichfalls sorgeberechtigten Elternteils dafür einholen zu müssen. So bleibt das gemeinsame Sorgerecht weiter bestehen und Sie vermeiden weiteren Sorgerechtsstreit. Die Handlungsvollmacht ist aber nur eine von mehreren Optionen.

Kur­ze Zu­sam­men­fas­sung

  • Die Handlungsvollmacht ist als das mildere Mittel die gebotene Alternative zur Übertragung der Alleinsorge.
  • Das auch nach der Scheidung mit Kind fortbestehende gemeinsame Sorgerecht muss im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Elternteile fortbestehen bleiben, wenn es mildere Mittel gibt, damit Sie als betreuender Elternteil in den Belangen Ihres Kindes handeln können.
  • Ein milderes Mittel kann auch darin bestehen, dass Sie sich die Entscheidungsbefugnis in Teilbereichen des Sorgerechts übertragen lassen, z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht.

Prak­ti­sche Tipps für Sie

Tipp 1: Betrachten Sie das gemeinsame Sorgerecht als Regel
Betrachten Sie es nicht als persönliche Herausforderung, unbedingt das alleinige Sorgerecht für Ihr gemeinsames Kind beanspruchen und Ihren Ex-Partner aus der elterlichen Verantwortung verdrängen zu wollen.

Tipp 2: Wählen Sie als milderes Mittel der Sorge die Handlungsvollmacht
Gibt es mildere Mittel, die Übertragung der alleinigen Sorge entbehrlich zu machen, müssen Sie diesen Weg wählen. In Betracht kommen insbesondere die Handlungsvollmacht und Übertragung von Teilbereichen des Sorgerechts.

Tipp 3: Betrachten Sie die Übertragung der Alleinsorge als Ausnahme
Beantragen Sie die Alleinsorge nur dann, wenn Sie angesichts der fehlenden Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft Ihres Ex-Partners wirklich keine andere Möglichkeit sehen, als die Alleinsorge zu beanspruchen.

Das Sor­ge­recht hat ein ho­hes Streit­po­ten­zi­al

Elternteile streiten nach der Trennung und der Scheidung oft darüber, wer in den Belangen des Kindes Entscheidungen treffen darf. Da das gemeinsame Sorgerecht nach und trotz der Scheidung fortbesteht, sind Konflikte oft vorprogrammiert. Elternteile beantragen dann beim Familiengericht gerne das alleinige Sorgerecht. Konflikte, die vor Gericht ausgetragen werden, führen nicht unbedingt zu befriedigenden Ergebnissen. Möchten Sie derartige Streitigkeiten tunlichst vermeiden, sollten Sie andere Optionen in Erwägung ziehen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu klargestellt, dass die Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil nicht in Betracht kommt, wenn der Elternteil bereits mit einer Handlungsvollmacht in den Belangen des Kindes ausreichend und zuverlässig tätig werden kann.

Alternative 1: Handlungsvollmacht als das mildere Mittel zur Sorge

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 29.4.2020, Az. XII ZB 112/19) hatte die Mutter eines Kindes beim Familiengericht beantragt, ihr das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Der Bundesgerichtshof wies den Antrag zurück. Grund war, dass es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, bei der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um Entscheidungen für das Kind treffen zu können. Daher scheidet die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil aus, wenn bereits eine Handlungsvollmacht genügt, damit der Elternteil in den Belangen des Kindes tätig werden kann.

Die Kindesmutter hatte darauf verwiesen, dass sie in Schulangelegenheiten des Kindes oder wenn es um die ärztliche Behandlung des Kindes geht, nur zuverlässig handeln könne, wenn sie das alleinige Sorgerecht habe. Die in diesem Fall bereits von dem anderen Elternteil erteilte Handlungsvollmacht sei keine verlässliche Handhabe, um die Belange des Kindes wahrzunehmen. Sie habe trotz der bereits erteilten Handlungsvollmacht Schwierigkeiten bei der Vertretung des Kindes gehabt. Der Kindesvater habe sich geweigert, zur Lösung beizutragen.

Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, dass die Kindesmutter sehr wohl dazu in der Lage gewesen sei, mit der erteilten Handlungsvollmacht zu handeln. Soweit es um die Aufnahme in den Kindergarten oder die religiöse Erziehung des Kindes ging, hätte sie problemlos handeln können. Soweit es darüber hinaus weitergehenden Entscheidungsbedarf gebe, müsse sich die Mutter auch damit auseinandersetzen, wenn Sie die alleinige Sorge innehätte.

Allenfalls dann, wenn der andere bislang sorgeberechtigte Elternteil nicht ausreichend kooperativ sei und die notwendige Mitwirkung mutwillig oder gar böswillig unterlasse, komme die Übertragung der alleinigen Sorge auf den betreuenden Elternteil in Betracht. Ansonsten müsse eine Handlungsvollmacht genügen.

Alternative 2: Entscheidung des Familiengerichts beantragen

Können Sie sich mit dem anderen Elternteil Ihres gemeinsamen Kindes nicht verständigen, können Sie auch beim Familiengericht beantragen, die Situation zu klären. Das Familiengericht wird in der Sache selbst keine Entscheidung treffen. Vielmehr wird es einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis alleine zuweisen. Allerdings wird das Gericht zunächst versuchen, auf eine Einigung der Elternteile hinzuwirken. Dazu kann das Gericht auch das Kind anhören. Es wird die Entscheidungsbefugnis demjenigen Elternteil übertragen, von dem das Gericht glaubt und erwartet, dass er die Entscheidung im Interesse des Kindes am besten treffen wird.

Beispiele

Steht die Frage zur Debatte, ob das Kind im Anschluss an die Grundschule in eine Waldorfschule oder ein staatliches Gymnasium wechselt, treffen oft ideologische Gegensätze aufeinander (AG Lemgo FamRZ 2004,49). Auch wenn Sie im Hinblick auf eine mit Gesundheitsrisiken verbundene Fernreise des Kindes Bedenken haben, kann das Konflikte aufwerfen. In einer Entscheidung des OLG Hamburg (FamRZ 2004,49) ging es um eine Reise auf die Philippinen. In all diesen Fällen übertrug das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis einem der Elternteile. Eventuellen Bedenken könnte das Gericht im Einzelfall damit begegnen, dass Sie das alleinige Sorgerecht nur unter der Auflage erhalten, dass die Reise beispielsweise nur mit einem anerkannten Reiseveranstalter durchzuführen ist und damit eine Abenteuertour zu Fuß durch eine problematische Region untersagt wird.

Alternative 3: Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge

Nach der Trennung vom Partner besteht das gemeinsame Sorgerecht auch nach und trotz Ihrer Scheidung fort. Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kann erst und nur dann erfolgen, wenn Sie endgültig getrennt leben und zumindest ein Elternteil die Übertragung des Sorgerechts beantragt. Ob Sie die Scheidung bereits eingereicht haben, ist unerheblich. Das Familiengericht überträgt einem Elternteil problemlos das alleinige Sorgerecht, wenn der andere Elternteil zustimmt und das Kind, sofern es das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, der Übertragung nicht widerspricht.

Stimmt der andere Elternteil der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil nicht zu, kommt die Übertragung nur in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Dabei muss das Gericht, so wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, stets prüfen, ob es auch weniger einschneidende Maßnahmen gibt, damit der betreuende Elternteil das Kind angemessen betreuen kann. Genügt insoweit die bloße Handlungsvollmacht, scheidet die Übertragung der alleinigen Sorge aus.

Scheidung und Kinder

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Dabei ist zu berücksichtigen, dass der betreuende Elternteil in Fragen des täglichen Lebens des Kindes ohnehin schon das alleinige Entscheidungsrecht ausübt. Eine Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts dient allenfalls dann dem Kindeswohl, wenn der andere Elternteil so wenig kooperativ und kommunikativ ist, dass der Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts ein echtes Problem darstellt.

Das kann dann der Fall sein, wenn die Eltern wegen der zwischen ihnen bestehenden Zerwürfnisse nicht mehr gewillt und in der Lage sind, die Verantwortung für das Kind gemeinsam zu tragen. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts dem Wohl des Kindes am besten entspricht, muss es immer noch prüfen, ob die Übertragung des Sorgerechts gerade auf denjenigen Elternteil, der die alleinige Sorge beantragt, dem Kindeswohl voraussichtlich am besten entspricht. Dass damit in der Praxis aufgrund der meist gegensätzlichen Standpunkte der Elternteile oft erhebliche Probleme verbunden sind, liegt auf der Hand.

Alternative 4: Übertragung von Teilbereichen der Sorge

Jetzt schließt sich der Kreis wieder. Wenn es heißt, dass das Familiengericht vor der Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil stets mildere Maßnahmen prüfen muss, muss auch die Übertragung von Teilbereichen des Sorgerechts in Erwägung gezogen werden. Beantragen Sie selbst das alleinige Sorgerecht, müssen Sie auch selbst unbedingt vorher prüfen, ob Sie auf diesem Weg ans Ziel kommen.

So kann das Familiengericht die Übertragung des Sorgerechts auf bestimmte Teilbereiche beschränken. Geht es beispielsweise darum, dass Sie umziehen möchten, können Sie sich das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen und das gemeinsame Sorgerecht insoweit fortbestehen lassen.

Hand­lungs­emp­feh­lung: Hand­lungs­voll­macht for­mu­lie­ren

Möchten Sie im gegenseitigen Interesse und zur Vermeidung von Streitigkeiten das gemeinsame Sorgerecht beibehalten und stattdessen eine Handlungsvollmacht vereinbaren, gilt es, diese Vollmacht möglichst detailliert zu formulieren. Es empfiehlt sich, den Kreis der Angelegenheiten, die das tägliche Leben betreffen und in denen der betreuende Elternteil alleine für das Kind entscheiden soll, tatbestandlich zu fixieren.

Je genauer Sie den Text formulieren, desto eher vermeiden Sie spätere Auseinandersetzungen. Idealerweise lassen Sie die Handlungsvollmacht anwaltlich kompetent formulieren. Jeder Streit, den Sie mit einer ordentlichen Formulierung vermeiden, ist ein Gewinn für alle Beteiligten.

So kommt in Betracht, dass

  • Sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes regeln,
  • den Umgang einschließlich Absprachen zu den Ferien und Feiertagen absprechen,
  • die Aufgaben in einzelnen Angelegenheiten des täglichen Lebens verteilen, die aus Ihrer Sicht wichtig sind und der Regelung bedürfen,
  • Sie je nach Ihren Verhältnissen konkret klarstellen, dass Sie in ärztlichen oder schulischen Belangen alleine für das Kind entscheiden dürfen,
  • Sie den Kindesunterhalt vereinbaren und vor allem
  • eine Regelung treffen, wie Sie sich im Konfliktfall verhalten und Konflikte beilegen wollen.

Gut zu wissen: Unterzeichnen Sie mit Ihrer Ex-Partnerin bzw. Ihrem Ex-Partner eine solche Sorgevereinbarung, ist diese nicht automatisch rechtlich verbindlich. Insbesondere ist sie nicht zwangsweise vollstreckbar. Sie dient nur der Orientierung der Elternteile. Sie können eine solche Sorgevereinbarung jederzeit widerrufen. Rechtlich verbindlich wird eine Sorgevereinbarung nur, wenn Sie diese beispielsweise im mündlichen Scheidungstermin oder in einem Sorgerechtsstreit vom Gericht protokollieren lassen.

Aus­blick

Geht es um das Sorgerecht, erweisen sich Elternteile oft als wenig kooperativ und wenig einsichtig. Dabei ist es durchaus nachvollziehbar, wenn ein Elternteil im Hinblick auf die Trennung und Scheidung eine besondere Verantwortung für das Kind empfindet. Wenn Sie so fühlen, sollten Sie dennoch berücksichtigen und auch respektieren, dass sich auch der andere Elternteil für Ihr gemeinsames Kind verantwortlich fühlt. Bedenken Sie stets, dass gemeinsame Verantwortung oft auch geteilte Verantwortung bedeutet. Situationen, in denen es darauf ankommt, gerade in der Erziehung des Kindes Konflikte auszutragen, sind oft leichter zu bewältigen, wenn beide Elternteile zusammenwirken.

Glossar zum Artikel:

  • Das Sorgerecht ist das Recht, das Kind zu betreuen, zu erziehen und zu versorgen, sowie Entscheidungen für das Kind zu treffen. Nach der Scheidung besteht in der Regel das gemeinsame Sorgerecht fort.
  • Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist Teil des Sorgerechts und umfasst das Recht, über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Alltag zu entscheiden, dazu gehören auch Freizeit und Urlaub.
  • Der nicht betreuende Elternteil und das Kind haben das Recht auf persönlichen Umgang miteinander. Das Umgangsrecht besteht auch, wenn der andere Elternteil das alleinige Sorgerecht hat.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion

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