Beantragen Sie die Scheidung, müssen Sie wegen des Anwaltszwangs bei den Familiengerichten einen Rechtsanwalt beauftragen. Ihr Rechtsanwalt rechnet dafür Gebühren ab. Möchten Sie die Gebührenabrechnung nachvollziehen oder sich vorab selbst ein Bild über die voraussichtlichen Verfahrensgebühren machen, müssen Sie wissen, was Verfahrenswert, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr bedeuten. Ihre Scheidungskosten hängen von der Interpretation und Anwendung der RVG-Tabelle ab.
Tipp 1: Sparen Sie Geld mit außergerichtlichen Vereinbarungen
Ihr Rechtsanwalt erhält für seine Aktivitäten im Scheidungsverfahren eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr. Verhandeln Sie eine Scheidungsfolge und einigen sich vor Gericht, kommt eine Einigungsgebühr in Betracht. Soweit er Sie bereits außergerichtlich vertreten hat, kann er eine Geschäftsgebühr berechnen, die allerdings zur Hälfte auf die spätere Verfahrensgebühr angerechnet wird.
Tipp 2: Günstiger geht es nicht
Beziehen Sie und Ihr Ehepartner Leistungen nach dem SGB II bis 3.000 EUR, (Grundsicherung für Arbeitssuchende), liegt die „günstigste“ Scheidung im Regelfall bei einem Verfahrenswert von 4.000 EUR.
Tipp 3: Achten Sie darauf, wie oft die Terminsgebühr abgerechnet wurde
Egal, wie viele Verhandlungstermine Ihr Rechtsanwalt für Sie wahrnehmen muss: Er darf im Regelfall nur eine einzige Terminsgebühr berechnen.
Die RVG-Tabelle (Anlage 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) bestimmt in Abhängigkeit vom Gegenstandswert und des Gebührenrahmens die Gebühren, die der Rechtsanwalt für seine Tätigkeiten abrechnen darf. Je höher der Gegenstandswert, desto höher sind die Gebühren. Um die Kosten für Ihr Scheidungsverfahren nachzuvollziehen oder selbst zu berechnen, gehen Sie in folgenden Schritten vor.
Gut zu wissen: Der Gegenstandswert heißt im Scheidungsverfahren Verfahrenswert. Lassen Sie sich also nicht täuschen, wenn von Gegenstandswert, Verfahrenswert oder gar Streitwert die Rede ist. Alle Begriffe bedeuten das Gleiche. Der Verfahrenswert sagt allein noch nichts darüber aus, was Ihre Scheidung letztlich kostet.
Der Verfahrenswert ist die Grundlage, auf der sich die Gebühren des Anwalts nach der RVG-Tabelle berechnen. Je nachdem, was das Familiengericht entscheiden muss, werden unterschiedliche Verfahrenswerte festgesetzt. Es kommen folgende Verfahrenswerte in Betracht:
Die Verfahrenswerte für Ihre Scheidung und den Versorgungsausgleich reichen regelmäßig aus, wenn Sie Ihre Scheidung einvernehmlich betreiben und darauf verzichten, eventuelle Scheidungsfolgen gleichfalls gerichtlich zu verhandeln und durch den Richter entscheiden zu lassen. Sofern Sie sich über eine Scheidungsfolge uneinig sind und die Regelung der Scheidungsfolge durch den Richter beantragen, ist für jede streitige Scheidungsfolge ein zusätzlicher Verfahrenswert anzusetzen. Es kommen folgende Verfahrenswerte in Betracht:
Auch Ihre Vermögenswerte können die Höhe des Verfahrenswertes für Ihre Scheidung beeinflussen. Im einfachsten Fall zählen Sie alle Ihre Vermögenswerte (Bargeld, Verkehrswert Ihrer Immobilie, Wertpapiere mit ihrem aktuellen Verkehrswert abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten) zusammen. Für jeden Ehepartner ziehen Sie einen Freibetrag von 30.000 EUR sowie für jedes Kind 7.500 EUR ab. Von dem sich ergebenden Betrag brauchen Sie lediglich bis zu 10% für die Bestimmung des Verfahrenswertes zu berücksichtigen.
Praxisbeispiel: Sie haben 20.000 EUR Guthaben auf dem Sparbuch. Ihre eheliche Eigentumswohnung hat einen Verkehrswert von 100.000 EUR. Abzüglich der Kreditverpflichtungen in Höhe von 70.000 EUR, setzen Sie für die Wohnung 30.000 EUR an. Ihre Aktien sind aktuell 25.000 EUR wert. Ihr Gesamtvermögen beträgt also 75.000 EUR. Abzüglich der Freibeträge in Höhe von jeweils 30.000 EUR für beide Ehepartner, verbleiben 15.000 EUR. Davon ergeben 5 % = 750 EUR, die Sie als Verfahrenswert berücksichtigen müssen.
Stehen alle Verfahrenswerte fest, werden sämtliche Verfahrenswerte addiert. Dann erhalten Sie den Gesamtverfahrenswert für Ihr Scheidungsverfahren. Dieser Gesamtverfahrenswert ist Grundlage für die Berechnung der Gebühren nach der RVG-Tabelle. Dabei werden die Gebühren nicht für jeden einzelnen Verfahrenswert berechnet. Vielmehr ist es im Scheidungsverfahren so, dass sich die anwaltlichen Gebühren allein nach dem aufaddierten Gesamtverfahrenswert richten (Stichwort Verbundverfahren).
Hinweis: Die RVG-Tabelle im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz weist die Gebühren für den jeweiligen Gegenstandswert mit dem Faktor 1,0 aus. Da es sich aber um Rahmengebühren handelt (Details siehe später) sollten Sie auf eine bessere Tabelle zurückgreifen, in der die Gegenstandswerte mit den jeweiligen Faktoren und den sich daraus berechneten Gebühren angezeigt werden.
Im Regelfall setzt der Anwalt für Ihr Scheidungsverfahren aber nur eine Mittelgebühr mit dem Faktor 1,3 fest. Nur in Fällen, in denen die anwaltliche Tätigkeit sich als besonders umfangreich und schwierig erweist, kann der Anwalt die Gebühr mit einer entsprechenden Begründung mit einem höheren Faktor festsetzen.
Da der Anwalt im Laufe Ihres Scheidungsverfahrens mehrere und unterschiedliche Tätigkeiten vornimmt, kann er für jede Aktivität eine eigenständige Gebühr berechnen. Insoweit gibt es vornehmlich die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr. In besonderen Fällen, in denen sich die Ehepartner nach Einreichen des Scheidungsantrags doch wieder versöhnen und das Verfahren beenden, kommt eine Aussöhnungsgebühr in Betracht (Faktor 1,5).
Für jede einzelne Gebühr kommen unterschiedliche Faktoren in Betracht. Die einzelnen Gebühren des Anwalts sind im Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) definiert. Dort stehen in der linken Spalte Nummern, die sich auf den jeweiligen Gebührentatbestand beziehen. Ganz rechts ist der jeweilige Gebührensatz bestimmt. Die Höhe der jeweiligen Gebühr ergibt sich dann aus der RVG-Tabelle.
Gehen Sie zum Rechtsanwalt und lassen sich im Hinblick auf Ihre Scheidung beraten, kann es sein, dass der Anwalt zur Vorbereitung des Scheidungsverfahrens Korrespondenz mit Ihrem Ehepartner oder Behörden und Versicherungen führen muss. Für diese Tätigkeiten kann der Anwalt eine Geschäftsgebühr berechnen. Der übliche Faktor beträgt 1,3. Davon kann er in einfach gelagerten Sachverhalten nach unten abweichen, kann die Gebühr aber auch mit einem höheren Faktor festsetzen, wenn die Korrespondenz schwierig ist, viel Know-how verlangt oder zeitlich und organisatorisch aufwendig ist.
Gut zu wissen: Geht es um Ihre Scheidung, wird Sie der Anwalt auch vor Gericht vertreten müssen. In diesem Fall ist die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die für die gerichtliche Vertretung anfallende Verfahrensgebühr anzurechnen. Hat der Anwalt also für die außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr berechnet, wird diese Geschäftsgebühr zur Hälfte mit dem Faktor 0,65 auf die spätere gerichtliche Verfahrensgebühr angerechnet (Details siehe Verfahrensgebühr).
Ihr Rechtsanwalt formuliert den Scheidungsantrag und reicht den Antrag beim Familiengericht ein. Dafür erhält er eine sogenannte Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG). Die Verfahrensgebühr wird im Scheidungsverfahren regelmäßig mit dem Faktor 1,3 angesetzt.
Sie können vor dem Familienrichter nicht selbst über Ihre Scheidung verhandeln. Der Antragstellende muss sich aus Gründen eines geordneten Sachvortrags anwaltlich vertreten lassen. Dafür, dass Ihr Rechtsanwalt Sie im mündlichen Verhandlungstermin vor dem Familienrichter vertritt, darf er eine Terminsgebühr berechnen (Nr. 3104 VV RVG).
Die Terminsgebühr wird in Scheidungsverfahren mit dem Faktor 1,2 berechnet.
Gut zu wissen: Bestenfalls beschließt der Richter bereits im ersten mündlichen Verhandlungstermin Ihre Scheidung. Möglicherweise muss der Richter die Verhandlung aber auch vertagen. Dann muss Ihr Rechtsanwalt einen weiteren Termin wahrnehmen. Egal, wie viele Verhandlungstermine Ihr Rechtsanwalt für Sie wahrnehmen muss: Er darf im Regelfall nur eine einzige Terminsgebühr berechnen.
Ihr Rechtsanwalt kann zusätzlich eine Einigungsgebühr berechnen, wenn Sie sich mit Ihrem Ehepartner wegen einer Scheidungsfolge streiten und sich dann doch irgendwie verständigen. Dafür, dass der Richter Ihren Streit nicht entscheiden muss, wird Ihr Anwalt mit einer Einigungsgebühr belohnt. Einigen Sie sich im gerichtlichen Verfahren, entsteht die Einigungsgebühr mit dem Faktor 1,0 (Nr. 1000, 1003 VV RVG), im außergerichtlichen Bereich wird meist der Faktor 1,5 angesetzt. Der dafür maßgebliche Verfahrenswert bemisst sich nach dem Wert, auf den Sie sich geeinigt haben. Einigen Sie sich hingegen, Ihre Ehe fortzusetzen, kann der Anwalt speziell eine Aussöhnungsgebühr berechnen (Nr. 1001 VV RVG).
Über die Gebühren für die einzelnen anwaltlichen Tätigkeiten hinaus kann der Anwalt noch folgende Kosten berechnen:
Ihr Rechtsanwalt vertritt Sie im einvernehmlichen Scheidungsverfahren. Der Gegenstandswert beträgt insgesamt 10.000 EUR. Ihr Anwalt erstellt folgende Gebührenabrechnung:
Gut zu wissen: Lassen Sie sich einvernehmlich scheiden, muss ein Ehepartner die Initiative ergreifen und den Scheidungsantrag stellen. Derjenige Ehepartner, der den Rechtsanwalt beauftragt, muss wegen der Gebühren für die Gerichtskasse und den Rechtsanwalt in Vorlage treten. Da der andere Ehepartner keinen eigenen Rechtsanwalt benötigt und damit Gebühren spart, erscheint es fair und gerecht, wenn er sich an den Anwaltsgebühren des Partners beteiligt.
Die Gerichtskasse berechnet für Ihr Scheidungsverfahren Gerichtsgebühren. Diese ergeben sich aus den Gerichtskostengesetz Anlage 2. Auch hier ist in Abhängigkeit vom Gegenstandswert die jeweilige Gebühr benannt. Im Scheidungsverfahren berechnet die Gerichtskasse zwei Gebühren.
Praxisbeispiel: Bei einem Gegenstandswert von 10.000 EUR und 2,0 Gerichtsgebühren bei 532 EUR und einer einvernehmlichen Scheidung werden die Gerichtsgebühren per Gerichtsbeschluss regelmäßig unter den Ehepartnern aufgeteilt. Jeder Ehepartner zahlt im Beispiel also 266 EUR Gerichtsgebühren.
Haben Sie nur ein geringes Einkommen, haben Sie wahrscheinlich Anspruch auf staatliche Verfahrenskostenhilfe. Dann übernimmt die Gerichtskasse die Gebühren für Ihren Rechtsanwalt sowie die Gerichtsgebühren. Entweder zahlen Sie dann überhaupt keine Gebühren oder Sie zahlen in Abhängigkeit von der Höhe Ihres Einkommens die verauslagten Gebühren an die Gerichtskasse ratenweise zurück. Auf das Einkommen Ihres Ehepartners kommt es insoweit nicht an. Ihr Rechtsanwalt wird Sie beraten, ob Sie im Hinblick auf Ihre Einkommensverhältnisse einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe bei Gericht einreichen sollten.
Sie haben maßgeblichen Einfluss darauf, in welcher Höhe Ihr Scheidungsverfahren Gebühren verursacht. Nur die einvernehmliche Scheidung gewährleistet, dass Sie Ihre Scheidung so kostengünstig und zügig wie möglich durchführen. Eventuelle Scheidungsfolgen regeln Sie kostengünstig in einer Scheidungsfolgenvereinbarung.
Geschrieben von: Volker Beeden