Unterhalt nach der Scheidung gibt es nur, wenn Sie wirtschaftlich bedürftig sind und der Grund dafür in Ihrer Ehe begründet ist. Ansonsten sind Sie für Ihren Unterhalt selbst verantwortlich. Sollten Sie die Voraussetzungen für einen der im Gesetz bezeichneten Unterhaltsgründe nicht nachweisen können, können Sie in Ausnahmefällen dennoch Unterhalt beanspruchen, wenn Ihnen aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine eigene Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten ist. Wir erklären Ihnen, was sich hinter dem sprachlichen Schleier „Unterhalt aus Billigkeitsgründen“ verbirgt.
Tipp 1: Besonderer Fall - Betreuung des Pflegekindes
In Betracht kommen Fälle, in denen ein Ehepaar gemeinsam ein Pflegekind aufnimmt und ein Unterhaltsanspruch wegen Kinderbetreuung nach der Scheidung nur deshalb entfällt, weil es sich nicht um ein gemeinschaftliches Kind des Paares handelt.
Tipp 2: Adoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren
Problematisch sind Fälle, in denen eine gleichgeschlechtliche Partnerin im gegenseitigen Einvernehmen ein Kind zur Welt bringt und die andere nach der Scheidung den Unterhalt wegen Kindesbetreuung verweigert, weil sie das Kind selbst nicht adoptiert hat.
Tipp 3: Haben Sie besondere Leistungen erbracht, von denen Ihr Partner profitiert hat?
Soweit Sie in der Ehe besondere Leistungen erbracht haben, die vorwiegend Ihrem Ehepartner zugutekamen, haben Sie normalerweise keinen Unterhaltsanspruch. Ein Ausgleich kommt dann nur über den Unterhalt aus Billigkeitsgründen in Betracht.
Sie brauchen sich nur dann Gedanken über Unterhalt aus Billigkeitsgründen zu machen, wenn kein anderer der sechs im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Lebenssachverhalte für Sie infrage kommt. Es ist also stets vorrangig zu prüfen, ob einer der sechs im Gesetz geregelten Unterhaltstatbestände auf Ihre Lebenssituation zutrifft. Das Gesetz regelt diese Unterhaltstatbestände in §§ 1570 – 1575 BGB.
Ein Überblick zum Thema Unterhalt und Tipps für die Unterhaltsberechnung.
Neben dem Unterhalt aus Billigkeitsgründen, gibt es sieben vorrangig zu prüfende Unterhaltstatbestände.
Bevor wir den Begriff „Unterhalt aus Billigkeitsgründen“ erklären, müssen Sie wissen, wann Sie überhaupt Anspruch auf nachehelichen Unterhalt haben. Also: Dem Grundsatz nach sind Sie nach Ihrer Scheidung für sich selbst verantwortlich und müssen das Geld für Ihren Lebensunterhalt eigenständig verdienen. Jeder Ehepartner hat die Pflicht, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Unterhaltspflicht des Ehepartners ist der Ausnahmefall. Allenfalls dann, wenn Sie aufgrund Ihrer Lebenssituation selbst außerstande sind, für Ihren Unterhalt zu sorgen, haben Sie Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Das Gesetz formuliert dazu sieben Unterhaltstatbestände. Ein Unterhaltstatbestand definiert die Situation, in der es Ihnen aufgrund Ihrer besonderen Lebenssituation nicht zuzumuten ist, eigenes Geld zu verdienen. Können Sie einen derartigen Unterhaltstatbestand nicht nachweisen, haben Sie normalerweise keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt.
Praxisbeispiel: Ihr gemeinsames Kind ist zwei Jahre alt. Um das Kind verantwortungsvoll zu betreuen, bleiben Sie zu Hause. Müssten Sie arbeiten und das Kind anderweitig betreuen lassen, müsste das Kind in der Zeit Ihrer Abwesenheit auf Sie als seinen leiblichen Elternteil verzichten. Da das Kind in Ihrer Ehe geboren wurde und es auch das Kind Ihres geschiedenen Ehepartners ist, ist es Ihnen nicht zuzumuten, das Kind fremd betreuen zu lassen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insoweit ist der Ehepartner aufgrund dieser ehebedingten Umstände verpflichtet, Ihnen Unterhalt zu zahlen.
Können Sie keinen der im Gesetz im Detail bezeichneten Unterhaltstatbestände begründen, haben Sie keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Dennoch gibt es Situationen, in denen es Ihnen nicht zuzumuten ist, aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In solchen Ausnahmefällen können derartige schwerwiegende Gründe einen Anspruch auf Unterhalt begründen, wenn die Versagung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde.
Zum Verständnis lesen Sie den Gesetzestext: "Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre" (§ 1576 BGB).
Durch den Unterhalt aus Billigkeitsgründen sollen Härtefälle vermieden werden.
Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass schwerwiegende Gründe nicht allein deshalb berücksichtigt werden dürfen, weil diese zum Scheitern Ihrer Ehe geführt haben. Untreue Ihres Ehepartners oder Gewalttätigkeiten begründen keinen Anspruch auf Unterhalt das Billigkeitsgründen. Zweck der Ausnahmevorschrift des § 1576 BGB (Unterhalt aus Billigkeitsgründen) ist, dass Härtefälle vermieden werden sollen, die sich aus der abschließenden Aufzählung der sieben grundlegenden Unterhaltstatbestände ergeben. Die Rechtsprechung wendet diese Vorschrift daher restriktiv an. Sie dürfen die Vorschrift nicht so verstehen, dass diese Vorschrift Lücken schließen soll, die der Gesetzgeber dadurch bewusst gesetzt hat, dass er die maßgeblichen Unterhaltstatbestände abschließend aufgezählt hat. Es kommen also nur Gründe in Betracht, die in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht den übrigen sieben Unterhaltstatbeständen vergleichbar sind.
Die Rechtsprechung erkennt nur in bestimmten Lebenssituationen ausnahmsweise einen Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen an. Entscheidend ist, dass dabei auf das besonders loyale Verhalten eines Partners abgestellt wird. Wollte man dieses Verhalten unberücksichtigt lassen, wäre das Gerechtigkeitsempfinden beeinträchtigt. In Betracht kommen folgende Fälle:
Praxisbeispiel: Ein in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebendes Paar wünscht sich ein Kind. Eine Partnerin lässt sich künstlich befruchten. Die Partnerin adoptiert das Kind nicht. Als sich beide trennen, weigert sie sich, Ehegattenunterhalt zu zahlen, da das adoptierte Kind nicht ihr Kind sei.
Praxisbeispiel: Sie waren 30 Jahre verheiratet. In der Ehe haben Sie den Haushalt betreut und Ihre drei Kinder großgezogen. Dann offenbart Ihr Ehepartner, dass er eine andere Frau kennengelernt habe, neu ins Leben starten und sich scheiden lassen möchte. In diesem Fall könnte es durchaus gerechtfertigt erscheinen, Ihren geschiedenen Ehepartner in die Verantwortung für Ihren Unterhalt einzubeziehen, auch wenn eheliches Fehlverhalten als solches keinen Unterhalt aus Billigkeitsgründen begründet.
Sind Sie krank oder leiden an einem Gebrechen, haben Sie einen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit (§ 1572 BGB). Voraussetzung ist aber, dass dieser Lebenssachverhalt unter anderem zum Zeitpunkt der Scheidung vorgelegen hat. Erkranken Sie erst nach der Scheidung, haben Sie normalerweise keinen entsprechenden Unterhaltsanspruch. Soweit Ihrem geschiedenen Ehepartner eine Mitverantwortung für Ihre spätere Erkrankung anzulasten ist, kommt ausnahmsweise ein Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen in Betracht.
Praxisbeispiel: Sie haben sich während Ihrer Ehe im Ladenlokal Ihres Ehepartners selbstlos engagiert. Aufgrund Ihrer körperlichen Belastungen zeigen sich nach Ihrer Scheidung erhebliche körperliche Beeinträchtigungen, die es Ihnen unmöglich machen, eine eigene Erwerbstätigkeit auszuüben. In diesem Fall wäre es ungerecht, wenn sich Ihr Ehepartner der Verantwortung für Ihr Engagement entziehen könnte.
Ein Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen besteht nicht uneingeschränkt. Das Gesetz stellt ausdrücklich darauf ab, dass der Anspruch nur besteht, „soweit und solange“ Ihnen keine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist.
Fordern Sie Unterhalt aus Billigkeitsgründen, müssen Sie Ihre Lebenssituation darlegen und beweisen, dass Ihnen aus schwerwiegenden Gründen keine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist und es ungerecht wäre, Ihnen einen Unterhaltsanspruch zu verweigern. Umgekehrt muss Ihr geschiedener Ehepartner darlegen und beweisen, welche Umstände zu seinen Gunsten sprechen und warum er keine Unterhaltspflicht übernehmen sollte. Da der Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen eine Ausnahmesituation im Blickfeld hat, tragen Sie als Anspruchsteller das Risiko, dass Sie Ihren Anspruch zur vollen Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen müssen.
Sie dürfen den Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen nicht mit überzogenen Erwartungen begründen. Es handelt sich immer um Ausnahmefälle, die eingehender Begründung bedürfen. Sie müssen einen solchen Anspruch immer mit Blick auf die sieben herkömmlichen Unterhaltstatbestände interpretieren. Insbesondere müssen Sie stets den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift zum Maßstab für die Zumutbarkeit Ihrer Erwerbstätigkeit machen.
Geschrieben von: Volker Beeden