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Kin­des­wil­le beim Sor­ge- und Um­gangs­recht

Bild: Kindeswille beim Sorge- und Umgangsrecht

Wel­che Rol­le spielt der Kin­des­wil­le beim Sor­ge- und Um­gangs­recht?

Trennen sich Eltern, ist das gemeinsame Kind am wenigsten an der Trennung beteiligt, obwohl es eigentlich im Mittelpunkt des Interesses stehen sollte. Streiten Sie sich mit Ihrem Ex-Partner um das Sorge- oder Umgangsrecht, spielt deshalb auch der Kindeswille eine entscheidende Rolle. Tragen Sie Ihren Streit vor dem Familiengericht aus, ist der Familienrichter gesetzlich verpflichtet, den Kindeswillen und damit das Kindeswohl in einer persönlichen Anhörung des Kindes festzustellen. Als Mutter oder Vater befinden Sie sich meist in einem Spannungsverhältnis der am Verfahren Beteiligten. Vielleicht fühlen Sie sich ohnmächtig ausgeliefert. Wir erklären, nach welchen Regeln die Familiengerichte den Kindeswillen beim Sorge- und Umgangsrecht feststellen.

Kur­ze Zu­sam­men­fas­sung

  • Streiten Sie sich vor Gericht wegen des Sorge- oder Umgangsrechts, ist der Familienrichter gesetzlich verpflichtet, Ihr Kind persönlich anzuhören.
  • Kinder ab dem 14. Lebensjahr sind immer anzuhören. Jüngere Kinder sind auch bereits ab dem dritten Lebensjahr anzuhören, wenn sie sich aufgrund ihres Entwicklungsstandes äußern können und ihre Neigungen, Bindungen und ihr Wille von Bedeutung sind.
  • Es liegt im Ermessen des Richters, wie er die Anhörung des Kindes im Detail gestaltet.

Prak­ti­sche Tipps für Sie

Tipp 1: Vermeiden Sie Einflussnahmen auf Ihr Kind
Zwingen Sie Ihr Kind nicht in einen Loyalitätskonflikt, indem Sie ihm vor der Anhörung vorgeben, was es möglichst zu sagen hat.

Tipp 2: Unterlassen Sie Einflussnahmen auf das Gericht
Versuchen Sie möglichst nicht, das Ermessen des Familienrichters einschränken zu wollen, indem Sie Ihre Einschätzung des Kindeswillens als die einzige Wahrheit darstellen.

Tipp 3: Respektieren Sie den Willen Ihres Kindes
Äußert sich Ihr Kind nicht in Ihrem Sinne, sollten Sie den Kindeswillen respektieren und allenfalls versuchen, Ihr eigenes Verhalten auf den Prüfstand zu stellen und bestenfalls eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen.

Wel­che Rol­le spielt der Kin­des­wil­le beim Sor­ge- und Um­gangs­recht?

Der Kindeswille und das damit einhergehende Kindeswohl spielt eine entscheidende Rolle, wenn Sie sich wegen des Sorge- oder Umgangsrechts mit Ihrem Ex-Partner streiten. Tragen Sie Ihren Streit vor dem Familiengericht aus, stellt § 159 FamFG klar, dass eine persönliche Anhörung des Kindes erfolgen muss.

Der Familienrichter ist also gesetzlich verpflichtet, zur Feststellung des Kindeswohls den Willen des Kindes zu berücksichtigen, zumindest insoweit, als dessen Wille mit seinem Wohl vereinbar ist. Deshalb schreibt das Gesetz die persönliche und mündliche Anhörung vor. Eine schriftliche Anhörung reicht nicht, da das Kind sich vielfach nicht fähig ist, sich schriftlich ausreichend verständlich zu machen und der Familienrichter auf diese Weise keinen persönlichen Eindruck gewinnen kann.

Beispiel: In einem Fall des OLG Braunschweig (FamRZ 2001, 1637) hatten sich zwei 9 und 13 Jahre alte Kinder schriftlich angeblich von der Mutter losgesagt. Der Familienrichter war nicht verpflichtet, diese Äußerungen unkritisch zu übernehmen und auf eine Anhörung zugunsten des Vaters der Kinder zu verzichten.

War­um muss das Kind an­ge­hört wer­den?

Kinder sind keine Verfügungsmasse der Eltern. Sie sind eigenständige Rechtssubjekte und keine Rechtsobjekte, über die Sie als Elternteile oder der Familienrichter nach eigenem Ermessen entscheiden kann. Die Anhörung soll gewährleisten, dass der Familienrichter so über das Sorge- oder Umgangsrecht entscheidet, dass die Interessen des Kindes so gut wie möglich berücksichtigt werden.

Dabei geht es darum, die persönliche Einflussnahme der Elternteile zu vermeiden. Würde man einem Kind nur das Recht gewähren, seine Wünsche schriftlich oder beiläufig oder gar im Beisein der Eltern in der Anhörung zu artikulieren, wäre nicht auszuschließen, dass sein Wille nur das wiedergibt, was der eine oder andere Elternteil ihm zuvor „eingetrichtert“ hat. Gerade bei jüngeren Kindern stellen die Gerichte oft fest, dass die Gefahr fremdbestimmter Äußerungen groß ist. Häufig gelingt es Eltern, starke Schuldgefühle zu verursachen, die dem Kind bei der Anhörung durch den Richter keine andere Wahl lassen, als sich für den einen oder anderen Elternteil zu entscheiden.

Kinder werden häufig zur Projektionsfläche gemacht, um dem Ex-Partner zu schaden und sich für die Trennung zu rächen. Experten merken dies oft daran, dass ein Kind im Gespräch plötzlich in eine nicht altersgerechte Sprache verfällt und Dinge sagt wie: „Papa wird übergriffig“. Dann ist schnell erkennbar, dass das Kind ein Vokabular verwendet, das der andere Elternteil benutzt hat.

Trennung und Kinder

Tren­nung und Kin­der

Worauf bei einer Trennung und Scheidung mit Kind geachtet werden muss, erfahren Sie hier.

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Diese Einflussnahme lässt sich nur durch die persönliche Anhörung vor dem Familienrichter auf ein Minimum zurückführen und bestenfalls vollständig vermeiden. Da die Regelung des Sorge- und / oder Umgangsrechts aber entscheidend Einfluss auf das weitere Leben des Kindes hat und es unmittelbar in seiner Lebensführung betrifft, ist eine Anhörung im Regelfall unumgänglich.

Der Familienrichter muss sich also einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind verschaffen und das Kind auch selbst zu Wort kommen lassen. Das Kind soll Gelegenheit haben, dem Gericht seine persönlichen Beziehungen zu beiden Elternteilen darzustellen.

Gibt es fes­te Al­ters­gren­zen?

Kindeswille bei Jugendlichen ab 14 Jahren

Jugendliche ab der Vollendung des 14. Lebensjahres muss der Familienrichter stets persönlich anhören (§ 159 Abs. 1 FamFG). Dabei kann auch ein nicht lösbarer Loyalitätskonflikt bei älteren Kindern dazu führen, dass der Kindeswille unberücksichtigt bleibt.

Beispiel: In einem Fall des OLG Köln (FamRZ 2009, 434) sollten nach Meinung eines 16-jährigen Jugendlichen entweder beide Elternteile das Sorgerecht ausüben oder keiner der Elternteile sollte das Sorgerecht bekommen.

Kindeswille bei Kindern unter 14 Jahren

Ist das Kind noch keine 14 Jahre alt, ist es persönlich anzuhören, „sofern die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist“ (§ 159 Abs. 2 FamFG). Das Gesetz definiert keine feste Altersgrenze, ab der ein Kind von Familienrichter unbedingt angehört werden muss. Dabei ist die persönliche Anhörung umso mehr geboten, je älter und verständlicher das Kind ist.

Die Rechtsprechung sieht eine Anhörung im Allgemeinen bereits vom dritten Lebensjahr an veranlasst (so u.a. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.12.2017, Az. 9 UF 54/17). Auch ein vierjähriges Kind ist persönlich anzuhören (BGH, Beschluss vom 31.10.2018, Az. XII ZB 411/18). Kinder im Kindergartenalter können sich meist bereits so verständlich ausdrücken, dass sie auf gezielte Fragen antworten. Erscheint die Antwort nicht deutlich oder hinreichend verständlich, kann der Richter Verständnis- oder Vertiefungsfragen stellen. Auch wenn Kleinkinder noch keinen eigenen Willen entwickelt haben, lassen sich doch Wünsche und Vorlieben feststellen.

Wie stellt der Fa­mi­li­en­rich­ter den Kin­des­wil­len fest?

Es steht im Ermessen des Gerichts, wie es die persönliche Anhörung des Kindes gestaltet (§ 159 Abs. IV Satz 4 FamFG). Als Elternteil können Sie dem Gericht also nicht vorgeben, wie die Anhörung des Kindes vonstattengehen soll.

Der Richter wird zunächst versuchen, den Kontakt zu dem Kind herzustellen und ein eher beiläufiges Gespräch mit ihm führen. Nach einer Eingewöhnungsphase wird der Richter zu Beginn der Anhörung in verständlicher Sprache erklären, warum die Anhörung stattfindet. Dabei wird der Richter äußern, dass er als Richter eine Entscheidung zu treffen hat. Damit wird klargestellt, dass nicht das Kind darüber entscheidet, wie der Richter den Antrag auf Regelung des Sorge- oder Umgangsrechts beurteilen soll. Dies ist insoweit wichtig, als das Kind sich nicht entscheiden muss, trotzdem aber angehört wird.

Das Kind muss Gelegenheit haben, sich zu äußern. Es reicht nicht, wenn der Richter das Kind im Sitzungssaal beobachtet. Allerdings ist es nicht so, dass sich das Kind unbedingt äußern muss. Es kann nicht dazu gezwungen werden. Soweit dem minderjährigen Kind ein Verfahrensbeistand bestellt wurde, soll der Verfahrensbeistand an der Anhörung teilnehmen (Details zum Verfahrensbeistand regelt § 158 FamFG). Die Teilnahme des Verfahrensbeistandes soll das Kind darin unterstützen, die für es ungewohnte und vielleicht als bedrohlich empfundene Anhörungssituation zu verstehen und sich den Fragen des Gerichts zu öffnen.

Der Familienrichter entscheidet also im Rahmen seines Ermessens, wo die Anhörung stattfindet (im Gerichtssaal, zu Hause, wo das Kind wohnt), wer an der Anhörung teilnimmt (Eltern, Rechtsanwälte, Sachverständige, Jugendamt), wie lange die Anhörung dauert, an wie vielen Terminen und wann die Anhörung erfolgt (anlässlich der mündlichen Verhandlung oder gesondert) und ob Geschwister gemeinsam oder getrennt angehört werden. Verbindliche Regeln, wie die Anhörung erfolgen sollte, gibt es nicht. Je älter das Kind ist, umso mehr kann die Anhörung wie bei einer erwachsenen Person erfolgen.

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen.

Augustinus Aurelius (354 n. Chr. - 430 n. Chr.)

Der Richter sollte für eine positive und geschützte Gesprächssituation sorgen, in der das Kind sich unbekümmert äußern kann. Die Anwesenheit von Eltern oder Verfahrensbevollmächtigten wäre kontraproduktiv. Deshalb steht den Eltern grundsätzlich auch kein Recht zu, bei der Anhörung des Kindes durch das Familiengericht anwesend zu sein (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5.6.2019, Az. 1 BVR 679/19). Es bestehe auch kein Recht, die Anhörung des Kindes über eine Videoübertragung mit zu verfolgen. Das Gericht verwies darauf, dass die Anwesenheit der Eltern regelmäßig nicht sachgerecht sei, weil dem Kind dann keine unbefangenen Äußerungen möglich sind. Auch eine Videoübertragung komme nicht in Betracht. Nur so lasse sich vermeiden, dass die Eltern danach in Kenntnis der Äußerungen des Kindes irgendwie Einfluss auf das Kind nehmen und dem Wohl des Kindes zuwiderhandeln.

Die Anhörung sollte möglichst kindgerecht gestaltet werden. Die Gestaltung hängt daher wesentlich vom Geschick des Richters ab. Wichtig ist, dass das Kind nicht durch direkte Fragen, die unmittelbar ergebnisorientiert formuliert sind, in die Enge getrieben wird. Der Richter wird also ein Kind nicht direkt fragen, bei welchem Elternteil es lieber leben möchte. Zweckmäßiger sind Äußerungen des Kindes, die nicht auf eine direkte Frage hin erfolgen, sondern die es von sich aus tätigt. Die wichtigste Aufgabe des Richters wird also darin gesehen, das Kind dazu zu bringen, ungezwungen zu plaudern.

Soweit die Anhörung keine verwertbaren Ergebnisse bringt, muss sich das Gericht damit zufriedengeben. Gerade, weil jüngere Kinder oft nicht in der Lage sind, ihre persönliche Beziehung zu den Eltern präzise und nachvollziehbar mitzuteilen, ist der Erfolg einer Anhörung nicht unbedingt garantiert. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass sich ein Kind vielfach in einem Loyalitätskonflikt sieht, weil es mit der Entscheidung für einen Elternteil notwendigerweise den anderen benachteiligen muss oder zu benachteiligen glaubt. Eine solche Entscheidung kann ein Kind oft nicht leisten und darf auch daher nicht erwartet werden.

Gut zu wissen: Äußert das Kind gleichmäßige Bindungen und Neigungen, kann auch der Wunsch, mit den Geschwisterkindern zusammen bei einem Elternteil leben zu wollen, ein entscheidender Faktor sein (OLG Hamm FamRZ 1997, 957).

Wie er­fah­ren Sie als El­tern­teil den In­halt der An­hö­rung?

Der Richter ist verpflichtet, die Ergebnisse seiner Anhörung aktenkundig zu machen (§ 28 Abs. 4 FamFG). Er muss zumindest in groben Zügen den Verlauf und das Ergebnis der Kindesanhörung darlegen. Nur so kann seine Beweiswürdigung überprüft werden. Unterbleibt die Protokollierung, liegt ein Verfahrensfehler vor, aufgrund dessen ein Beschluss über das Sorge- oder Umgangsrecht angefochten werden kann. Anders ist es nur dann, wenn das Gericht konkret ausführt, dass es sich von vornherein mit der Anhörung des Kindes keinen Erkenntnisgewinn verspricht.

Gut zu wissen: In einem Fall des OLG Hamm (Beschluss vom 26.2.2014, Az. 3 UF 184/13) behauptete ein Kindesvater in einem Sorgerechtsverfahren, dass er in der Kleidung der Kinder Tonaufnahmegeräte versteckt und deren Aussagen bei der richterlichen Anhörung aufgezeichnet hätte. Deshalb sei die Kindesanhörung im Verfahren nicht verwertbar. Das Gericht bezweifelte diese Behauptung. Selbst wenn der Kindesvater Aufnahmegeräte in der Kleidung der Kinder untergebracht haben sollte, hätten diese keine Auswirkungen auf den Ablauf der Anhörung und die Authentizität der Angaben der Kinder gehabt.

In­wie­weit be­rück­sich­tigt die Re­form im Sor­ge­recht und Um­gangs­recht den Kin­des­wil­len?

Der Gesetzgeber sieht im Kindschaftsrecht aufgrund der veränderten Lebenswirklichkeit Reformbedarf. Dabei geht es auch um den Kindeswillen. Die bereits in § 159 FamFG geregelten Grundsätze der persönlichen Anhörung des Kindes werden ausgebaut. So soll der Wille des Kindes bei entsprechender Reife in der Regel immer vorrangig berücksichtigt werden, sofern das Wohl des Kindes oder sonstige triftige Gründe nicht entgegenstehen. Ab der Vollendung des 12. oder 14. Lebensjahres soll das Kind ein eigenes Antragsrecht bekommen.

Aus­blick

Regelungen des Sorge- und Umgangsrechts müssen die meist gegensätzlichen Interessen der Elternteile berücksichtigen und unter dem Dach des Kindeswohls zur Geltung bringen. Familienrichter stehen insoweit oft vor scheinbar unlösbaren Aufgaben. Möchten Sie als Elternteil Ihrem Kind derartige Konflikte ersparen, sind Sie immer gut beraten, auf eine einvernehmliche Regelung hinzuwirken. Auch das Gericht ist gesetzlich verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen aller Beteiligten hinzuwirken. Haben Sie tatsächlich den Weg zum Gericht beschritten, sollten Sie Angebote des Familiengerichts ernst nehmen und im Interesse Ihres Kindes handeln.

Glossar zum Artikel:

  • Das Sorgerecht ist das Recht, das Kind zu betreuen, zu erziehen und zu versorgen, sowie Entscheidungen für das Kind zu treffen. Nach der Scheidung besteht in der Regel das gemeinsame Sorgerecht fort.
  • Der nicht betreuende Elternteil und das Kind haben das Recht auf persönlichen Umgang miteinander. Das Umgangsrecht besteht auch, wenn der andere Elternteil das alleinige Sorgerecht hat.

Geschrieben von: iurFRIEND-Redaktion

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