Sie haben sicher gute Gründe, wenn Sie nach der Trennung oder Scheidung von Ihrem Ehepartner mit Ihrem gemeinsamen Kind ins Ausland auswandern möchten. Doch Vorsicht: Trotz Ihrer Trennung oder Scheidung behält Ihr Ehepartner das Sorgerecht für Ihr Kind, es sei denn, Ihr Partner stimmt dem Umzug ins Ausland zu oder ein Familiengericht spricht Ihnen das alleinige Sorgerecht oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Fehlt es an diesen Voraussetzungen, riskieren Sie, sich wegen einer Kindesentführung strafbar zu machen. Wir zeigen auf, was Sie dazu wissen sollten.
Tipp 1: Zum Kindeswohl einigen
Einigen Sie sich möglichst einvernehmlich und handeln zum Wohl Ihres Kindes. In der Regel ist es hilfreich, wenn das Kind durch sein gewohntes Umfeld Sicherheit erfährt.
Tipp 2: Gemeinsames Sorgerecht achten
Haben Sie weiterhin das gemeinsame Sorgerecht, können Sie dies nicht einfach missachten und gegen den Willen des anderen Elternteils ins Ausland ziehen.
Tipp 3: Mediation anstreben
Wenn Sie grundsätzlich kompromissbereit sind, aber den Konflikt alleine nicht lösen können, können Sie versuchen, sich im Rahmen einer Mediation zu einigen.
Trennen Sie sich oder lassen Sie sich von Ihrem Ehepartner scheiden, besteht auch nach der Trennung und Scheidung das Sorgerecht beider Elternteile für das gemeinsame Kind fort. Eine Änderung tritt allenfalls insofern ein, als dass Sie als betreuender Elternteil in alltäglichen Angelegenheiten des Kindes alleine entscheiden dürfen und nur in Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung die Zustimmung des anderen Elternteils einholen müssen.
Möchten Sie mit Ihrem Kind umziehen oder gar ins Ausland auswandern, handeln Sie auf der Grundlage Ihres gemeinsamen Sorgerechts. Da Sie über den Aufenthalt Ihres Kindes entscheiden, betrifft Ihre Entscheidung das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist Bestandteil des Sorgerechts. Also sind Sie darauf angewiesen, dass Ihr Ehepartner Ihrem Wunsch, auszuwandern, ausdrücklich zustimmt. Stimmt der Ehepartner nicht zu, haben Sie ein Problem oder riskieren zumindest Schwierigkeiten.
Gut zu wissen: Auch wenn Sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und nach der Trennung oder Scheidung von Ihrem Ehepartner in ihr Heimatland zurückkehren möchten, müssen Sie das Sorgerecht und damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht Ihres in Deutschland verbleibenden Ehepartners anerkennen.
Wandern Sie ohne die Zustimmung Ihres sorgeberechtigten Ehepartners ins Ausland aus, riskieren Sie, sich wegen Kindesentführung strafbar zu machen (§§ 235 Abs. II StGB). Allein der Umstand, dass das Kind in Ihrer Obhut ist, rechtfertigt es nicht, das auch insoweit bestehende Aufenthaltsbestimmungsrecht des anderen Elternteils zu ignorieren.
Worauf bei einer Trennung und Scheidung mit Kind geachtet werden muss, erfahren Sie hier.
Verbringen Sie das Kind ins Ausland oder bringen Sie das Kind nach einem Aufenthalt im Ausland nicht zurück nach Deutschland, kann der andere Elternteil versuchen, mit staatlicher Hilfe die Rückführung des Kindes nach Deutschland in die Wege zu leiten. Das Haager Übereinkommen zur Rückführung von ins Ausland verbrachter Kinder wurde von 85 Staaten unterzeichnet. Wird ein Kind unter Missachtung des Aufenthaltsbestimmungsrechts des anderen Elternteils ins Ausland verbracht, kann der andere Elternteil über die Zentrale Behörde für internationale Sorgerechtskonflikte beim Bundesamt für Justiz in Bonn die Rückführung des Kindes nach Deutschland beantragen. Die entsprechende Zentrale Behörde des Landes, in dem sich das Kind befindet, ist dann zur Amtshilfe verpflichtet und kann das Kind Ihrer Obhut entziehen. Sie sollten es also nicht unbedingt darauf ankommen lassen.
Möchten Sie ohne Probleme mit Ihrem Kind ins Ausland auswandern, können Sie beim Familiengericht an Ihrem Wohnort in Deutschland beantragen, Ihnen das alleinige Sorgerecht für Ihr Kind zu übertragen. Das Gericht kann dann das gemeinsame Sorgerecht aufheben und allein Ihnen übertragen.
Sofern Sie sich mit Ihrem Ehepartner nur wegen dem Aufenthalt Ihres Kindes streiten, genügt es, wenn Sie beantragen, Ihnen lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und das gemeinsame Sorgerecht im Übrigen fortbestehen zu lassen. Das Gericht wird nämlich prüfen, ob es wirklich erforderlich ist, über das Sorgerecht insgesamt zu entscheiden oder ob mit einer Entscheidung allein über das Aufenthaltsbestimmungsrecht Genüge getan ist. Die Familiengerichte sind ausdrücklich verpflichtet, zu prüfen, ob zwischen den Elternteilen eine tragfähige soziale Beziehung besteht und diese in der Lage sind, noch einigermaßen miteinander umzugehen. Da Sie sich beim Familiengericht wegen der komplexen Rechtslage von einem Rechtsanwalt vertreten lassen sollten, wird Sie Ihr Anwalt beraten, wie Sie Ihr Ziel am besten erreichen.
Doch Vorsicht: Wenn Sie ins Ausland auswandern, brauchen Sie für Ihren Umzug nachvollziehbare Gründe, da Sie das Kind dem Einflussbereich des anderen Elternteils entziehen. Schließlich kann der andere Elternteil sein Umgangsrecht entweder gar nicht mehr oder nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten wahrnehmen. Allerdings gestehen die Gerichte auch zu, dass Ihre Lebensplanung zu respektieren und auch ein Umzug ins Ausland nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist.
Sie dürfen jetzt keine pauschalen Vorgaben erwarten, wie Sie sich im Einzelfall verhalten sollten. Die Gerichte haben in einer Vielzahl von Entscheidungen im Einzelfall festgestellt, wann ein Elternteil Anspruch darauf hat, allein über den Aufenthalt des gemeinsamen Kindes bestimmen zu dürfen. Orientierung bieten mithin folgende Gerichtsentscheidungen:
Expertentipp: Sie sehen: Die Gerichtsentscheidungen dienen allenfalls der Orientierung. Sie dürfen daraus keine Verallgemeinerungen ableiten und auf Ihre eigene Situation bedenkenlos übertragen. Bevor Sie die Auswanderung ins Ausland ins Auge fassen, sollten Sie Ihren Wunsch mit einem kompetenten Berater besprechen. Beratung finden Sie beim Jugendamt, im Hinblick auf rechtliche Erwägungen aber eher bei einem im Familienrecht tätigen Rechtsanwalt. Je früher Sie sich beraten lassen, desto geringer ist das Risiko, dass Sie Fehlentscheidungen treffen und Weichen stellen, die Sie später kaum mehr korrigieren können.
Da Sie mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht auch über das Wohl des Kindes entscheiden, müssen Sie unbedingt die Interessen des Kindes in Ihre Entscheidung einbeziehen.
Der Bundesgerichtshof (FamRZ 2010, 1060) verweigerte einer Mutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Die Mutter wollte mit der Tochter nach Mexiko auswandern. Auch wenn die Mutter triftige Gründe habe, komme es immer noch darauf an, ob das Kindeswohl mit der Auswanderung in Einklang zu bringen sei. Die Gerichte prüfen daher im Hinblick auf das Kindeswohl folgende Aspekte:
In der kleinen Welt, in welcher Kinder leben, gibt es nichts, dass so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, als Ungerechtigkeit.
Expertentipp: Sie sollten es unterlassen, bei Ihrem Kind Schuldgefühle zu erwecken. Bekommt der Familienrichter bei der Anhörung des Kindes den Eindruck, dass das Kind gar keine andere Wahl hat, als sich im Sinne Ihres Antrags zu entscheiden, wird er sich veranlasst sehen, ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Sie riskieren, dass dann die „Wahrheit“ schnell ans Licht gebracht wird und Ihr Antrag keine Aussicht auf Erfolg haben wird.
Viele gerichtliche Entscheidungen beschäftigen sich damit, dass der auswanderungswillige Elternteil es darauf abstellt, das gemeinsame Kind dem Einflussbereich des in Deutschland verbleibenden Elternteils entziehen. Dieser Kritikpunkt lässt sich zumindest entschärfen, wenn Sie sich mit dem anderen Elternteil darauf verständigen, ihm oder ihr zum Ausgleich ein angemessenes und besonders großzügiges Umgangsrecht zuzugestehen. Wenn der in Deutschland verbleibende Elternteil sich ausdrücklich zu seiner Verantwortung für das Kind bekennt und auch eine soziale emotionale Beziehung zwischen Elternteil und Kind besteht, sollten Sie auf diese Beziehung Rücksicht nehmen und nicht versuchen, diese zu torpedieren.
Expertentipp: Da Sie mit dem Kind künftig im Ausland leben und der zurückbleibende Elternteil entfernungsbedingt keinen Umgang mit dem Kind haben kann, sprechen Sie sich ab, dass das Kind die Sommerferien beim anderen Elternteil und/oder die Weihnachtstage in Deutschland verbringt. Genauso gut könnten Sie zugestehen, dass der Elternteil das Kind an Ihrem Wohnort im Ausland nach Absprache aufsucht und dort für vier Wochen täglich Umgang mit dem Kind haben darf. Es liegt an Ihnen, sich auf eine brauchbare Regelung zur verständigen.
Machen Sie Ihr Kind keinesfalls zum Spielball Ihrer Auseinandersetzungen mit dem anderen Ehepartner. Ihr Kind ist nicht Ihr Eigentum. Auch das Kind hat Interessen. Widersetzt sich das Kind Ihrem Auswanderungswunsch, belasten Sie auch Ihr eigenes Verhältnis zum Kind, vor allem dann, wenn es fürchtet, den anderen Elternteil zu verlieren.
Sie sollten es auch nicht unbedingt darauf ankommen lassen, sich gerichtlich wegen dem Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht auseinanderzusetzen. Sie wissen nie zuverlässig, wie ein Richter entscheiden wird. Sie müssten in Kauf nehmen, dass das Gericht das Jugendamt und einen Kinderpsychologen einbezieht und Ihre familiären Verhältnisse durchleuchtet werden. Jede einvernehmliche Regelung, die nicht zuletzt auf der Kompromissbereitschaft beider Elternteile beruht, ist eine bessere Lösung.
Sorgerechtsstreitigkeiten sind mit viel Emotion und Aufwand verbunden. Eigentlich geht es um das Kind. Sie sollten also möglichst nicht über den Kopf Ihres Kindes eine Entscheidung treffen und Ihren Auswanderungswunsch um jeden Preis durchsetzen wollen. Wenn Sie sich bemühen, sollte es möglich sein, den anderen Elternteil und natürlich auch Ihr Kind in Ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Geschrieben von: Volker Beeden