„Nicht mal Wasser?“ - Eine häufig gestellte Frage, auf die es eine klare Antwort gibt: Ja, nicht mal Wasser nehmen fastende Muslime während Ramadan tagsüber zu sich. Hingegen eher selten thematisiert, und nicht ganz so einfach, sind die Auswirkungen der Fastenzeit auf Beziehungen und die Herausforderungen, denen Paare während dieser Zeit gegenüberstehen. Wie lässt sich der Monat gemeinsam gestalten und meistern? Was tun, wenn nur einer fastet? Wie geht man mit einer Trennung um?
Fasten als Trend und Tradition
Menschen fasten aus verschiedenen Gründen. So gibt es z.B. das Intervallfasten für Fitnessbegeisterte, Heilfasten für bestimmte Kuren oder eben religiöses Fasten. Das Konzept, sich für einen gewissen Zeitraum bestimmter Tätigkeiten zu enthalten, gibt es auch im Christentum, Judentum, Buddhismus und weiteren Religionen. Die Regeln variieren also je nach Glauben und individueller Ausübung.
Im Islam gehört das Fasten während des Monats Ramadan für 29 bis 30 Tage zu den 5 Säulen des Glaubens und ist somit Pflicht für jeden gläubigen und erwachsenen Muslim, dessen Gesundheit dies zulässt. Bereits in wenigen Tagen beginnt der diesjährige Ramadan. Das bedeutet: Von der Morgendämmerung bis etwa zum Sonnenuntergang – also die Zeit zwischen 1. und 3. Gebet der täglichen Pflichtgebete – auf Essen und Trinken verzichten, sowie sexuell enthaltsam bleiben.
Gemeinsam durch den Fastenmonat
Die Zeit ist einerseits durch Geselligkeit beim gemeinsamen Fastenbrechen mit Familie und Freunden oder bei zusätzlichen Gemeinschaftsgebeten in der Moschee, andererseits durch individuelle Reflektion geprägt. Einen besonderen Stellenwert kann dabei die Ehe einnehmen. Schließlich stehen sich Ehepartner besonders nahe. Während der Fastenzeit können sie ihre innige Beziehung weiter pflegen oder einander nach einer Beziehungskrise wieder näherkommen und Wertschätzung zeigen. Genießen Sie die Zeit zu zweit, lassen sich aber auch Freiraum für Individuelles. Jedes Paar muss hier seine eigene Balance bei den typischen Ramadan-Aktivitäten finden:
- Frühstück vor der Morgendämmerung
- Fastenbrechen am Abend
- zusätzliche (Bitt)Gebete in der Nacht
- Gedenken an Gott (arabisch: Allah)
Nicht zu vernachlässigen: Da die ersten Verse des Korans nach islamischem Glauben während Ramadan enthüllt wurden, bemühen sich viele Muslime darum, diesen während dieser Zeit vermehrt zu lesen und zu rezitieren, sowie daraus zu lernen. Hier bietet es sich ebenfalls an, aufzuteilen. Zeit für sich allein, um nach eigener Lesegeschwindigkeit und individuellem Wissen vorzugehen. Und Zeit zu zweit, um sich Rezitationen anzuhören und Reflektionen zu teilen.
Die Zeit kann also sehr bereichernd sein, gleichzeitig sollte man weder sich noch den Partner überfordern.
Expertentipp: Realistisch bleiben
Idealisierte Erzählungen und die pointierte Darstellung in Sozialen Netzwerken können für unrealistische Erwartungen sorgen. Dies birgt die Gefahr der Romantisierung des gemeinsamen Fastens. Als Folge kommt es zu Unzufriedenheit in der Beziehung. Vorfreude ist auf der Kehrseite also auch mit Enttäuschung verbunden, wenn die Realität den Erwartungen nicht standhält. Insbesondere Konvertierten, die den Fastenmonat meist allein verbringen oder im Extremfall sogar heimlich fasten müssen, weil die Familie den neuen Glauben nicht akzeptiert, haben oft einen starken Wunsch, diese besondere Zeit endlich mit Partner und einer eigenen Familie zu verbringen.
Ein Partner fastet, der andere nicht
Und wie sieht es aus, wenn nur einer fastet – sei es nur zeitweise oder den ganzen Monat über? Dies kommt z.B. zustande, wenn die Beziehung interreligiös ist und der Partner nicht dem Islam angehört. Manche Partner probieren es aus Neugierde oder Respekt für einige Tage aus mitzufasten, den Großteil des Monats fastet in der Regel dann jedoch nur eine Person.
Wenn beide gläubige Muslime sind und die Pflicht des Fastens erfüllen möchten, gibt es etwa folgende Situationen, in denen nicht beide (den ganzen Monat über) fasten:
- Krankheit: sei es chronisch oder akut, sodass Fasten gesundheitsschädlich wäre
- Reisen: Fasten ist möglich, kann aber auch nachgeholt werden
- Schwangerschaft und Stillzeit: wenn es Mutter oder Kind gefährdet, darf nicht gefastet werden
- Menstruation oder Wochenbett: Fasten ist zur Erleichterung nicht erlaubt, muss aber nachgeholt werden
Der neue Lebensrhythmus und das Bedürfnis es tagsüber auch mal ruhiger angehen zu lassen, wirkt sich entsprechend auf den Alltag des Nichtfastenden aus. Je nach Grund, wieso diese Person nicht fastet, wird sie ihre eigenen Bedürfnisse haben. Sprechen Sie offen darüber, wie Sie sich den Fastenmonat vorstellen, welche Unterstützung Sie brauchen und welche Hilfestellung Sie selber anbieten können. Bleibt die Zweisamkeit zu sehr auf der Strecke, können Sie sich nach Ramadan vielleicht wieder bewusst mehr Zeit füreinander nehmen. Gleiches gilt natürlich für Zeiten, in denen vielleicht nur der andere fastet
Ein möglicher Zwiespalt könnte sein, ob derjenige, der nicht fastet, vor dem anderen essen sollte. Teils wird es kulturell als respektvoll gesehen, dies zu unterlassen oder einer von beiden fühlt sich dabei unwohl. Am besten besprechen Sie mit Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin, wie Sie es handhaben möchten und finden eine Lösung, mit der Sie beide gut leben können. Das abendliche Fastenbrechen können Sie in jedem Fall wieder gemeinsam erleben.
Gut zu wissen: Fasten ist mehr als Verzicht auf Essen und Trinken
Wen es bedrückt nicht fasten zu können, kann sich vielleicht ein Stück weit damit trösten, dass sich der Zustand des Fastens nicht nur auf das Körperliche beschränkt. Es geht auch darum, als Mensch zu wachsen. Dazu gehört es, auf seine Gedanken zu achten, an Charakterschwächen zu arbeiten, seine Mitmenschen gut zu behandeln und vieles mehr. Mögliche Aktivitäten sind z.B. soziales Engagement, Spenden, neues Wissen erlangen. All dies können Sie auch ohne Verzicht auf Essen und Trinken gemeinsam umsetzen. Es gibt also keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben.
Pray together, stay together?
Zusammen beten, zusammenbleiben? Religion kann einerseits Paare verbinden, andererseits aber auch für Zwist sorgen. Das gilt für alle religiösen Handlungen, kann sich jedoch insbesondere beim Fasten zeigen, wenn der Körper geschwächter ist als üblich. Während der eine nach den ersten Tagen der Gewöhnung an den neuen Tagesablauf mental Zufriedenheit und Leichtigkeit verspürt, ist der andere vielleicht übermäßig erschöpft und dadurch gereizt.
Der Alltag läuft meist wie gewohnt weiter: Kinderbetreuung, Arbeit, Haushalt. Der größte Spielraum bleibt bei Freizeit und Sport, beides wird hier häufig eher auf die Abendstunden verlegt. Weniger Schlaf in der Nacht bedeutet oft aber auch mehr Müdigkeit am Tag. Zwar soll Streit vermieden werden, jedoch ist es nur menschlich, bei Unterzuckerung und Stress kurzzeitig aneinander zu geraten. Wichtig ist dann vor allem, sich wieder zu besinnen und ggf. nach etwas Erholung sowie dem Fastenbrechen wieder zu sich und einander zu finden.
Entlastung durch gute Vorbereitung
Bereiten Sie den Monat so gut wie möglich vor, um während des Fastens mehr Zeit für Entspannung zu haben und für Ramadan-Atmosphäre zu sorgen:
- In vielen Haushalten steht ohnehin Frühjahrsputz an, jetzt ist also ein guter Zeitpunkt, die Wohnung so weit wie möglich in Ordnung zu bringen.
- Nutzen Sie die Gelegenheit, ggf. zu dekorieren oder eine besondere Gebetsecke einzurichten.
- Einige kaufen oder basteln Ramadankalender, ähnlich wie Adventskalender in der Weihnachtszeit, mit einer kleinen Überraschung am Ende eines langen Fastentages. Damit macht man nicht nur Kindern eine Freude.
- Stehen wichtige Termine an? Erledigen Sie diese möglichst vorher oder vereinbaren Termine erst wieder nach Ramadan.
- Zwar wird tagsüber nichts gegessen, doch dafür fließen meist umso mehr Vorbereitungen in das abendliche Fastenbrechen. Wenn möglich, können Sie einige Mahlzeiten vorbereiten und einfrieren.
- Die Zeit vergeht schneller als man denkt. Es schadet also nicht, sich bereits vorab um Geschenke für die Feiertage zu kümmern.
- Prüfen Sie auch, ob alle Unterlagen bereit liegen, um Ihr Vermögen zu berechnen, falls Sie die jährliche Spende (Zakat, das ist die soziale Pflichtabgabe in Höhe von 2,5% des Vermögens) entrichten müssen und dem nun zusammen mit der Festtagsspende nachkommen möchten.
Ramadan nach Trennung und Scheidung
Das Fasten selber wird eher selten der hauptsächliche Trennungsgrund sein. Denkbar ist jedoch, dass man während Ramadan Klarheit über die schon länger im Raum stehende Frage „Bleiben oder Trennen?“ erlangt oder unterschwellige Konflikte deutlich werden. Wie es auch zur Trennung kommt, die Folgen müssen auch während des Fastenmonats geregelt werden.
Wer gerade eine Trennung hinter sich hat und Halt im Glauben findet, für den kann Ramadan ein Trostspender sein. Die erste Fastenzeit als Single kann sich zunächst einsamer anfühlen als die Jahre, die man zuvor mit dem Partner verbracht hat, sie ist aber auch eine Chance, wieder Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Womöglich hilft Ihnen die Selbstreflektion dabei, die Trennung zu verarbeiten und sich sowie dem bzw. der Ex etwaige Fehler zu verzeihen.
Ist die Trennung erst kurz vor Ramadan erfolgt und können Sie auf die Schnelle nicht ausziehen, müssen Sie das Trennungsjahr in der Ehewohnung starten. Glücklicherweise verzögert sich das anstehende Scheidungsverfahren dadurch nicht, solange Sie auf gemeinsame Mahlzeiten verzichten und jeder seinen eigenen Haushalt erledigt. Fastet nur eine Person, kann sich dies nun sogar als praktisch erweisen, da Sie kaum zu den gleichen Zeiten in der Küche sein werden.
Expertentipp: Umgang während Fastenzeit und Feiertagen
Bemühen Sie sich darum, Ihren Kindern trotz Trennung eine schöne Zeit zu ermöglichen. Auch der nicht betreuende Elternteil hat ein Umgangsrecht. Denken Sie also daran, die Umgangszeiten ggf. an den neuen Tagesrhythmus anzupassen. So könnten Sie vereinbaren, dass die Kinder während Ramadan statt nachmittags erst abends nach dem Fastenbrechen wieder zum betreuenden Elternteil zurückgebracht werden. Holen Sie die Kinder am Wochenende normalerweise früh morgens ab, können Sie evtl. eine spätere Zeit eintragen, sodass alle etwas ausschlafen können. Finden Sie eine Lösung, die Ihren Kindern Normalität gibt und für beide Seiten umsetzbar ist. Klären Sie auch rechtzeitig, wie Sie die Feiertage aufteilen.
Alles in allem
Ramadan ist eine besondere und bereichernde Zeit, kommt aber auch mit eigenen Herausforderungen. Offene Kommunikation und etwas Rücksichtnahme helfen Ihnen dabei, diese als Paar oder nach der Trennung als Eltern gemeinsamer Kinder zu meistern.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie eine besinnliche Fastenzeit!