Kind da, Liebe weg? Keine gesunde Ansicht, was das Familienglück betrifft. Am Kind selbst liegt es nun am allerwenigsten, wenn Mama und Papa oder gleichgeschlechtlich zusammenlebende Eltern es „nicht hinkriegen“, nach der Geburt als Paar zu funktionieren. Oft geht es dabei um (zu) unterschiedliche Erziehungsstile, die jeder Elternteil dem Kind angedeihen lassen will. Verwunderlich ist dies nicht, zumindest nicht bei First Parents – wann und wie hätte darüber auch vorher ein Austausch stattfinden können. Wie Sie einander nicht in den Rücken fallen und trotzdem ganz unterschiedliche Ansätze der Kindererziehung in Einklang bringen, erfahren Sie hier. Wann Sie die Reißleine ziehen sollen, allerdings auch.
WENN ELTERN SICH WEGEN DER ERZIEHUNG DER KINDER STREITEN…
Kehren wir den Satz zunächst um – wer sich in punkto Erziehung überhaupt nicht zankt, macht garantiert etwas verkehrt. Und sei es, dass dieser Aspekt vollkommen einem Partner überlassen wird – Kinder brauchen beide Eltern. Es ist ein Glück, wenn ein Kind beide hat.
Streiten Sie sich also nun verhältnismäßig viel und oft, muss dies kein schlechtes Zeichen sein. Neutral gesagt, scheint dann zumindest jeder von Ihnen eine Vorstellung zu haben, was das jeweils Beste für Ihren Nachwuchs ist.
Die Wissenschaft ist sich ohnehin uneinig, welcher Erziehungsstil am besten ist für Kinder, und zumindest die Eltern, die sich über ihre Rolle als ErzieherInnen Gedanken machen, folgen dem Auf und Ab: Stand vor einigen Jahren noch eine sehr freie Erziehungsform hoch im Kurs, geht der Trend jetzt wieder Richtung Gehorsam. Und morgen kann es schon wieder anders sein.
Zwischendurch werden viele als in Stein gehauene Erkenntnisse auch wieder relativiert. Zum Beispiel, dass es Kinder in ihrer Entwicklung gar nicht dermaßen stört, wenn dies oder jenes nicht früh im Leben gegeben ist. Letztlich könnte man immer argumentieren, dass aus dem, der das Kind (richtig oder falsch) erzieht, ja auch etwas geworden ist – immerhin hat er oder sie eine Familie.
Im Zusammenspiel mit der Kommunikation der Eltern gibt es jedoch einige Punkte, auf die man als Paar achten kann (und sollte). Welche sind das?
Wie entsteht Uneinigkeit in der Erziehung?
Die Antwort auf diese Frage ist eigentlich simpel: Ihr Partner wurde nicht im selben Elternhaus erzogen wie Sie, sondern von seinen/ihren Eltern. Die vielleicht ebenfalls Kompromisse ausfochten in der Frage, wie sie die unterschiedlichen Erziehungsstile der Großeltern miteinander vereinigen konnten. Aus diesem Grunde prallen unterschiedliche Erziehungsstile zwangsläufig aufeinander, und es ist die Frage, wer sich wie durchsetzt.
Vielleicht ist es auch so, dass man als Elternteil selbst spürt, dass entweder
- die eigene Erziehung nicht so lief, wie man es sich gewünscht hätte, oder
- man aufmerksam geworden ist auf neue Erkenntnisse in Modellen wie der Montessori-Erziehung, oder sich bei anderen Eltern etwas abgeschaut hat.
Dann fängt man quasi bei Null an, auch wenn es aufgrund der eigenen Erfahrungen nie einen Stand Null geben wird. Ihr Partner macht es dagegen vielleicht nach Gefühl, und ohne extra ein Buch über Kinder und Erziehung zu lesen. Wie man sich auch immer fortbilden mag – folgendes kann passieren.
Güte versus Strenge
Nicht hinter jedem strengen Elternteil steckt ein hartes Herz. Die Intention von Strenge kann viele Richtungen nehmen, sei es
- eine Schutzfunktion,
- der Wunsch, dass das Kind früh selbstständig wird oder sich behaupten kann,
- der Wunsch, möglichst viel Bildung zu erfahren,
und, und, und. Der andere Elternteil versucht dagegen, das Kind vor zu hohem Erwartungsdruck zu schützen, was dann viele Anlässe zum Streiten geriert.
Expertentipp: Fordern, aber Mitbestimmung wahren
Einer von Ihnen nimmt Rücksicht darauf, dass das Kind abends zu groggy ist, um noch ins Bad zu laufen für das Zähneputz-Ritual? Die Frage, ob es jetzt ins Bad mitkommt, wird bequem mit „nö“ beantwortet, was den anderen Elternteil auf den Plan ruft? Stellen Sie dem Kind zwei Optionen, damit es eine von Ihnen bevorzugte Wahl trifft. „Willst du im Bad oder in der Küche Zähne putzen?“, ist der Weg zum Ziel. Das Kind fühlt sich dann ernstgenommen und muss seine Entscheidung auch durch deren Umsetzung verantworten. Eine andere Option sollten Sie dann auch nicht zulassen.
„Bei Papa/Mama darf ich das!“
Eine sehr ähnliche Gemengelage: Während ein Elternteil alles daran setzt, das Essen außerhalb vom Esstisch in der Wohnung zu unterbinden, lässt der andere es zu, dass der Teller Nudeln auch einmal vorm Fernseher gegessen wird. Viele sprechen hier von Illoyalität des Elternteils, der das Laissez-faire-Prinzip fährt.
Neutral gesagt, werden dem Kind zwei Modelle angeboten, wie mit einer Sache zu verfahren ist. Genau so wie der eine Eltenteil vielleicht nach jedem Saugen auch noch Staub wischt und der andere nicht. Der Unterschied zum Essen am oder fern des Tischs ist, dass Saugen und Staubsaugen zwar auch einen Impact auf die Erziehung hat, aber keinen direkten:
- Beim Essen am Tisch geht es um eine Regel VON einem Elternteil FÜR das Kind, das sie befolgen sollte.
- Es ist für das Sozialleben (in der KiTa zum Beispiel) wichtig, dass es diese Vorgabe auch dort umsetzen kann.
Regeln geben einem Kind letztlich auch Sicherheit. Nur liegt dies manchmal auch daran, dass beide Eltern gar nicht über die Umsetzung bei Tisch geredet haben. Vielleicht war der erlaubende Elternteil sonst immer zum Abendbrot noch in der Spätschicht, und hat sich nichts dabei gedacht.
Wichtig sind hier drei Dinge, wenn dann irgendwann Sätze kommen wie „Bei Papa/Mama darf ich das aber…“ *schmoll
- Begründen: Kinder akzeptieren eine Bitte eher, wenn sie die Begründung dafür hören. Das ist später im Chef-Angestellten-Verhältnis auch nicht groß anders. „Du musst dein Essen am Tisch essen, weil Essen immer etwas klebrig ist, und man den Tisch besser putzen kann als das Sofa.“ Kommt besser an als ein Machtkampf mit Nudeln an der Decke als Konsequenz.
- Als Team auftreten: Werden Sie als Argument angeführt, sonnen Sie sich besser nicht darin – das Kind wird an anderer Stelle dasselbe mit Ihrem Partner gegen Sie ins Feld führen. Helfen Sie bei einer Lösung mit, und gehen Sie nicht auf Konfrontation. Sind Sie dennoch der Meinung des Kindes, sagen Sie das Ihrem Partner nicht vor dem Kind, sondern später. Ein Elternteil wäre sonst schwach gegenüber dem Kind, was sich wie angeführt, nicht auf die Selbstsicherheit des Kindes auswirkt im Endeffekt.
- Einen Grundsatzplan machen: Haben Sie bisher nicht über Regeln, das Kind betreffend, gesprochen, sollten Sie das schnell unter sich nachholen. Bei kleineren Kindern kann man das auch nebenbei noch tun, wenn es informatorischer Natur ist („Ich gebe ihm immer den Löffel zum Reis, mit der Gabel ist es schwieriger“), bei größeren braucht es Abstimmung im Vorhinein. Je früher man jedoch damit anfängt, desto weniger Streit wird es geben.
Wenn der Partner den Weg geringer Widerstände wählt
Seien wir ehrlich – nach einem harten Tag möchte man wahrscheinlich lieber seine Ruhe, anstatt endlose Diskussionsschleifen zu fahren. „Wenn du nicht gleich mitkommst, gehe ich alleine heim“, löst bei 16jährigen wahrscheinlich ein Gefühl der Freude aus, während es bei einem 3jährigen die Urängste aktiviert. Auch das Einfordern von Gefühlen („Freu dich doch!“) oder gar emotionaler Erpressung („Wenn du das nicht isst, bin ich ganz traurig“) können nachhaltig Schaden anrichten bei Kindern, sogar noch wenn sie älter werden.
Erkennt das der andere Elternteil, sollte dieser den anderen sofort nach dem Zubettbringen des Kindes darauf ansprechen. Sofort deswegen, damit das beanstandete Verhalten nicht zehn Mal „überhört“ wird, sondern der kritisierte Partner schnell merkt, was dem anderen wichtig ist. Nach zehn Mal Durchwinken nimmt der Partner Ihre Meinung vielleicht nicht mehr ernst.
Auswirkungen von Streit der Eltern auf das Kind
Und genau darum geht es – ernstgenommen werden, Respekt und Vertrauen gewinnen. Letztere sind die einzigen beiden Dinge, die man auf der Welt nicht einfordern kann. Man muss sie sich verdienen, auch und vor allem bei den eigenen Sprösslingen.
Dazu gehört auch eine gesunde Streitkultur. Richtig streiten gehört zu unserem Leben dazu, und wenn man seinem Kind als Vorbild zeigt, wie das geht, wird es unglaublich profitieren davon. Welche Goldenen Streitregeln gibt es?
- Den anderen ausreden lassen und ihm zuhören.
- Auf Totschlagargumente wie „Trotzdem“ oder „Hör doch auf“ verzichten – das kommt ganz schnell von anderer Stelle wieder, ehe Sie sich versehen!
- Keine Schimpfworte benutzen.
- Am Ende eine Lösung finden, die dann auch befolgt wird.
Finden Sie keine Lösung oder entziehen sich vielleicht gar dem Streit durch Hinauslaufen (wobei auch die Provokation dazu unterbleiben sollte), lässt dies das Kind irritiert zurück. Es soll lernen, im Austausch mit anderen Kindern und Erwachsenen eine Lösung zu finden, und gute Vorbilder helfen dabei.
Wann führen Differenzen in der Kindererziehung zur Trennung?
Führt jeder Elternteil sein Modell fort, ohne die Wünsche seines Partners zu berücksichtigen, endet dies meistens nicht gut. Dann ist Streit programmiert, auch bzw. vor allem dann, wenn alles zunächst noch von einem Elternteil heruntergeschluckt wird und langsam gärt.
Manche Dinge sind natürlich No-Gos: Wendet ein Elternteil physische Gewalt an und das permanent, dürften Ihre Tage als Paar schnell gezählt sein. Auch die Auswirkungen einer Alkohol- oder Drogensucht muss niemand tolerieren. Wobei diese Dinge nicht mehr direkt mit Erziehungsfragen zu tun haben.
Sie dürften dann über eine Trennung nachdenken, wenn das große Ganze ins Wanken gerät:
- Wenn Sie merken, dass der Einfluss des Partners irreparable Folgen für Ihr Kind hat.
- Wenn nicht nur Ihr Kind, sondern auch Sie selbst Angst vor den Methoden des Partners verspürt, und sich auch über einen langen Zeitraum trotz mehrfacher Bitte zur Korrektur nichts ändert.
- Aber auch, wenn Ihr Partner überhaupt kein Interesse daran zeigt, sich noch um Ihr gemeinsames Kind zu kümmern. Nach dem Prinzip „Dann mach doch selbst!“
Alles in allem
Erziehung bedeutet Verantwortung zu zeigen. Macht man einen Fehler, kann man diesen auch zugeben. Wenn man zum Beispiel ungerecht gegenüber dem Kind war. Kinder spielen Einsicht später dann zu Ihnen zurück. Darüber hinaus sollten Eltern als Team zusammenarbeiten, und dem Kind das auch zeigen. Ihr Sohn oder Ihre Tochter werden NutznießerInnen sein, wenn sie später selbst einmal ein Kind erziehen. Dann hätten Sie es als Großeltern wohl auch lieber, wenn Kind und Schwiegerkind bis ans Ende Ihrer Tage zusammenbleiben, und sich nicht wegen behebbarer Probeme auseinanderdividieren.