Heiraten Sie Ihren Lebensgefährten oder Ihre Lebensgefährtin, müssen Sie vielleicht einkalkulieren, dass der neue Partner auch ein Kind in die neue Beziehung einbringt. Denn gut jedes siebte Kind wächst heute mit Halb- oder Stiefgeschwistern auf. Sie stehen dann vor der Herausforderung, Ihre Beziehung zu Ihrem Stiefkind zu gestalten. Jetzt kommt es darauf an, dass Sie die richtigen Schritte tun und dafür die richtige Strategie in der Tasche haben. Gelingt es nicht, das Stiefkind in Ihre Beziehung zum Partner oder zur Partnerin einzubeziehen, riskieren Sie, dass Ihre Beziehung leidet oder im ungünstigsten Fall sogar scheitert. Auch wenn es der Weisheit letzten Schluss nicht gibt: Sprechen wir darüber.
Auf Ihre Prämissen kommt es an
Versuchen Sie keinesfalls, sich als neuer Elternteil Ihres Stiefkindes zu präsentieren. Stiefeltern können leibliche Eltern nur bedingt ersetzen. Vermeiden Sie also, dass Ihr Stiefkind den Eindruck bekommt, Sie wollten ihm als Vater oder als Mutter begegnen. Dies ist umso gefährlicher, als der leibliche Elternteil noch Kontakt zum Kind hat. Das Kind würde Sie aller Wahrscheinlichkeit nach als Eindringling empfinden und sich dagegen wehren, dass Sie den Platz des leiblichen Elternteils einnehmen wollen.
Ihre Prämisse sollte also sein, dass Sie dem Stiefkind als Freund und Kamerad entgegentreten und ihm das Gefühl geben, dass es einen Ansprechpartner hat, wenn es denn einen braucht. Einen guten Freund kann man schließlich immer gebrauchen. Gerade, wenn ein Kind die Trennung und Scheidung seiner Elternteile erlebt hat und verarbeiten muss, befindet es sich in einer seelischen Notlage und könnte sich bereit zeigen, seine Gefühle auch mit einem Stiefelternteil zu besprechen.
Akzeptieren Sie Ihr Stiefkind als Kind. Betrachten Sie es nicht als Konkurrenten in Ihrer Beziehung. Gehen Sie davon aus, dass das Kind aller Wahrscheinlichkeit nach große Vorbehalte hat, Sie als Stiefelternteil und als neuen Partner des eigenen Elternteils zu akzeptieren. Machen Sie kleine Schritte. Erwarten Sie nicht, dass Sie gleich morgen allerbeste Freunde sind. Haben Sie die Geduld, auf den richtigen Augenblick zu warten. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn das Kind Sie immer wieder ablehnt.
Idealerweise wird das Kind früher oder später verstehen und hoffentlich akzeptieren, dass der eigene Elternteil einen neuen Partner oder eine neue Partnerin hat und es einfacher ist, gemeinsam mit einem Partner durchs Leben zu gehen. Es muss verstehen, dass auch der eigene Elternteil eigene Lebensperspektiven verfolgt und ein Anrecht auf familiäres Glück hat. Zu zweit lassen sich viele Probleme besser bewältigen. Davon profitiert auch das Kind. Wenn das Kind sieht, dass der eigene Elternteil glücklich ist, wird es eher bereit sein, Vertrauen in die neue Beziehung zu investieren.
Ihr Stiefkind träumt noch von der Altfamilie
Verstehen und akzeptieren Sie, dass Ihr Stiefkind durchaus die Sehnsucht hat, wieder eine richtige Familie zu sein. Allerdings hofft es sehr wahrscheinlich auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Der Einzug eines neuen Partners oder einer neuen Partnerin macht ihm wahrscheinlich schmerzhaft bewusst, dass die Altfamilie unwiederbringlich aufgelöst ist.
Gehen Sie auf das Kind ein
Akzeptieren Sie, dass es völlig natürlich ist, wenn das Stiefkind Ihnen gegenüber misstrauisch auftritt. Versuchen Sie also nicht, autoritär aufzutreten und die Rolle eines Elternteils einzunehmen. Ihre Einflussmöglichkeiten sind zumindest anfangs gering. Besser ist oft, wenn Sie das Kind agieren lassen und Sie darauf reagieren. Versuchen Sie, stets ein offenes Ohr für die Anliegen des Kindes zu haben. Hören Sie zu, was es sagt und vor allem versuchen Sie zu empfinden, was es alles nicht sagt. Blicke sagen oft mehr als Worte. Auch durch sein Verhalten kann das Kind zeigen, wie es mit der Situation umgeht. Je gefühlvoller Sie darauf reagieren, desto besser sind Ihre Chancen, eine Beziehung zu Ihrem Stiefkind aufzubauen.
Und noch etwas: Sie sind der Ältere. Von Ihnen ist zu erwarten und Sie sollten sich auch zumuten, dass Sie mit Bedacht reagieren und nicht jede Aktion Ihres Stiefkindes gleich mit Kritik, Missfallen oder Ärger bekunden. Auch aus einer Defensive heraus lässt sich gut reagieren. Das, was das Kind an Verhaltensweisen zeigt oder wie es sich äußert, ist selten logisch und nachvollziehbar. Es ist wahrscheinlich der Situation geschuldet und hat emotionale Hintergründe. Es ist Ihre Aufgabe, so darauf zu reagieren, dass die Situation nicht eskaliert und Sie sich trotzdem die Option offenhalten, den Weg nach vorne zu gehen.
Versuchen Sie Gemeinsamkeiten aufzubauen
Die Gefühle von Menschen zueinander beruhen oft auf Gemeinsamkeiten. Hat das Kind Vorlieben oder sogar ein Hobby, kann es konstruktiv sein, darauf einzugehen. Versuchen Sie aber nicht, sich einzuschmeicheln. Das Kind merkt schnell, wenn Sie nicht ehrliche Absichten verfolgen und wendet sich ab. Besser ist, aus der Situation heraus bestimmte Interessen aufzugreifen und daraus scheinbar zufällig gemeinsame Unternehmungen oder gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln.
Hilfreich ist, Rituale zu entwickeln. So hat das Stiefkind nicht das Gefühl, als würden Sie sich als neuer Partner oder als neue Partnerin in das hineindrängen, was dem Kind seit jeher vertraut ist. Neu geschaffene Rituale schaffen aber neue Gemeinsamkeiten.
Vorsicht, wenn Sie Ihre eigenen Kinder bevorzugen
Bringen Sie in Ihre neue Beziehung eigene Kinder ein, kommt es darauf an, dass Ihre eigenen Kinder mit Ihrem Stiefkind harmonisieren. Jetzt ist wichtig, dass Sie alle Kinder fair und nachvollziehbar behandeln. Sind die Kinder etwa gleich alt, besteht ein großes Potenzial, dass sie sich gegenseitig stärken, eine emotionale Nähe zueinander aufbauen und sich schicksalhaft verbunden fühlen.
Natürlich entscheidet der Altersunterschied auch über die Art der Beziehung. Kinder in jüngeren Lebensjahren bauen schneller ein geschwisterliches Verhältnis untereinander auf, als es ältere Geschwister vielleicht tun können. Deren Vorbehalte sind oft größer. Andererseits kann ein älterer Geschwisterteil auch eine fürsorgende Rolle oder gar eine Vorbildfunktion für den jüngeren Geschwisterteil übernehmen.
Wenn es darum geht, eigene Kinder und Stiefkinder gleich zu behandeln, müssen Sie Lösungen finden, wenn die Frage ansteht, wer welches Zimmer bekommt, wer staubsaugt oder wer die Spülmaschine ausräumt.
Schwierig kann es werden, wenn die Kinder im Wechselmodell mit dem anderen leiblichen Elternteil betreut werden. Es besteht das Risiko, dass sie sich nirgendwo richtig zugehörig fühlen, ständig auf gepackten Koffern sitzen und die Zeit in Ihrem Haus als einen ohnehin vorübergehenden Aufenthalt betrachten. Auch hier sollten Sie die Option ernst nehmen, gemeinsame Interessen wahrzunehmen oder aufzubauen und so eine Art Vorfreude darauf zu schaffen, dass sich die Kinder im Wechsel der Betreuung wiedersehen.
Sprechen Sie die Probleme an
Eltern in Patchwork-Familien erweisen sich oft als Meister im Herunterschlucken und resignieren allzu schnell, wenn sich Probleme als scheinbar unlösbar herausstellen. Wenn Sie ständig Dinge akzeptieren, die Ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen widersprechen, wird eine gute Beziehung zum Stiefkind kaum eine Chance haben. Auch wenn es in vielen Fernsehfilmen als Klischee daherkommt, dass ein Stiefkind seine Stiefmutter oder seinen Stiefvater ständig demütigt und schikaniert, sollten Sie sich nicht entmutigen lassen. Letztlich kommt es darauf an, dass jedes Familienmitglied seine eigene Rolle in der neuen Gemeinschaft finden muss. Dafür braucht es Zeit.
Sie werden auch nicht umhinkommen, die Beziehungsprobleme zum Stiefkind mit dem leiblichen Elternteil Ihres Stiefkindes zu besprechen. Gestehen Sie dem Elternteil zu, dass er aufgrund seiner emotionalen Verbindung zum Kind nicht alles akzeptiert, was Sie vortragen und kritisieren. Ihr Ziel muss sein, eine gemeinsame Basis zu finden, die Sie auch gemeinsam gegenüber dem Kind vertreten, ohne dass das Kind sich benachteiligt, diskriminiert oder ausgegrenzt fühlt.
Beziehungen scheitern deshalb oft daran, dass alles viel zu schnell gehen muss und die Erwartungen zu hoch angesetzt sind. Wenn Sie also Ihre neue Beziehung samt Stiefkind gestalten wollen, müssen Sie Konflikte konstruktiv austragen. Sie müssen bereit sein, Rückschläge zu akzeptieren. Niederlagen beugen Sie, werfen Sie aber nicht um. Geduld zahlt sich oft aus.
Alles in allem
Es ist eine ungemein große Herausforderung, wenn in Patchwork-Familien alle Familienmitglieder versuchen, ihren gleichberechtigten Platz zu finden. Soll dieses Ziel nicht Illusion bleiben, müssen Sie aktiv an Ihrer neuen Beziehung arbeiten. Es gilt, in kleinen Schritten ein großes Ziel zu verfolgen. Wenn der Aufbau einer Patchwork-Familie gelingt, zeigen Studien, dass Kinder mit hohen sozialen Kompetenzen heranwachsen, früher selbstständig werden, ein hohes Verantwortungsgefühl für sich und andere beweisen und später auch beruflich erfolgreich sein sollen.